Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit eines Freiwilligkeitsvorbehalts
Leitsatz (amtlich)
Parallelentscheidung zum Urteil vom 10. Januar 2022, 9 Sa 66/21 des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg, im Anschluss an BAG, Urteil vom 14. September 2011 - 10 AZR 526/10, Rn. 38 - 40.
Normenkette
BGB §§ 307, 307 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Villingen-Schwenningen (Entscheidung vom 11.05.2022; Aktenzeichen 4 Ca 41/22) |
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche auf Weihnachts- und Urlaubsgeld für die Jahre 2020 und 2021 auf Grundlage einer betrieblichen Übung. Der Kläger ist auf der Grundlage des von der Rechtsvorgängerin der Beklagten einseitig vorgegebenen schriftlichen Arbeitsvertrages vom 16.08.2006, als Abteilungsleiter Lager bzw. Fachkraft Lagerwirtschaft beschäftigt. Er erhielt zuletzt eine Vergütung in Höhe von 3.783 EUR brutto monatlich, ab Oktober 2020 in Höhe von 4.000 EUR brutto monatlich. Der Kläger hat das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich durch Eigenkündigung beendet. Die Beklagte hat die aus der Tabelle im arbeitsgerichtlichen Urteile Seite 1 ersichtlichen Zahlungen - mit Lohnlauf Juni als Urlaubsgeld und Lohnlauf November als Weihnachtsgeld - erbracht, wobei der Kläger dies mit jeweils 50% des korrespondierenden Bruttomonatsvergütung einordnet.
Jahr |
Urlaubsgeld |
Weihnachtsgeld |
2016 |
1.411,50 EUR |
1.411,50 EUR |
2017 |
1.453,85 EUR |
1.453,85 EUR |
2018 |
1.806,13 EUR |
1.806,13 EUR |
2019 |
1.891,50 EUR |
1.891,50 EUR |
In den Jahren 2020 und 2021 wurden keine Zahlungen geleistet.
Der Arbeitsvertrag vom 16. August 2006 (Bl. 4 ff. d. A.) lautet auszugsweise wie folgt:
3. Vergütung
a) Der Arbeitnehmer erhält ab 01.10.2006 ein Monatsgehalt von 3.100,00 Euro brutto.
b) ...
c) ...
d) ...
e) Die Zahlung von Sonderzuwendungen insbesondere von Weihnachts- und/ oder Urlaubsgeld liegt im freien Ermessen des Arbeitgebers und begründet keinen Rechtsanspruch für die Zukunft, auch wenn die Zahlung mehrfach und ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgt. Scheidet der Arbeitnehmer innerhalb von 3 Monaten nach Zahlung der Sonderzuwendung aufgrund eigener Kündigung oder einer Kündigung des Arbeitgebers aus dem Betrieb aus, ist der Arbeitnehmer zur Rückzahlung der erhaltenen Sonderzahlung in voller Höhe verpflichtet. Dies gilt nicht im Falle einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers.
8. Nebenabreden und Vertragsänderung: Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. Änderung und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.
Vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger vorgetragen, dass der Anspruch aufgrund einer betrieblichen Übung bestehe. Der Anspruch sei zumindest durch die Zahlungen in den Jahren 2016-2019 entstanden. Der vertragliche Freiwilligkeitsvorbehalt sei unwirksam und halte einer AGB-Kontrolle nicht stand. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der so ausgelegt werden könne, dass er Rechtsansprüche aus späteren Individualabreden ausschließe, sei unwirksam. Es hätten ausdrücklich nachfolgende individualrechtliche Abreden ausgenommen werden müssen. In Kombination mit der einfachen Schriftformklausel werde der Eindruck verstärkt, dass eine Individualabrede nicht vorrangig sei. Außerdem sei die arbeitsvertragliche Regelung widersprüchlich, da - beim "einfachen Lesen für einen Verbraucher" - der Eindruck erweckt werde, dass dem Kläger eine Zahlung zugesagt sei. Dieser Eindruck werde dadurch verstärkt, dass die Zahlung solcher Sonderzuwendungen in der Medizintechnik üblich sei.
Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt:
- Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger € 7.566,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 1.891,50 brutto seit 11.07.2020, 11.12.2020, 11.07.2021 und 11.12.2021 zu bezahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, nach Zahlung der mit Klageantrag Ziff. 1 geltend gemachten Forderung dem Kläger für die Monate Juni 2020, November 2020, Juni 2021 und November 2021 eine Entgeltabrechnung zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es sei ein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt vereinbart worden, der das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf eine künftige Sonderzahlung verhindere. Der vertragliche Freiwilligkeitsvorbehalt halte auch einer AGB-Kontrolle stand. Die Klausel sei nicht überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB und auch nicht intransparent nach § 307 Abs. 1 BGB. Schließlich liege auch keine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB vor. Zudem verstoße die Klausel nicht gegen den Vorrang der...