Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitlich unbegrenztes Anschlussverbot für sachgrundlose Befristungen. Befristungskontrollklage eines Facharbeiters in der Automobilindustrie bei acht Jahre zurückliegender befristeter Vorbeschäftigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG enthält ein zeitlich unbegrenztes Anschlussverbot. Durchgreifende unions- oder verfassungsrechtliche Bedenken sind nicht ersichtlich.

2. Der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, wonach der Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber ohne Vorliegen eines Sachgrundes unzulässig ist, wenn zwischen den Arbeitsvertragsparteien “bereits zuvor„ ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, ist eindeutig. “Bereits zuvor„ bedeutet, dass jedes frühere Arbeitsverhältnis (“zeitlich vorhergehend„) der Befristung entgegensteht, gleich ob es erst wenige Tage oder viele Jahre zuvor beendet worden war.

3. War der Arbeitnehmer bereits von 2004 bis 2005 befristet als gewerblicher Mitarbeiter bei der Arbeitgeberin beschäftigt und stellt diese den Arbeitnehmer im Jahre 2013 befristet für den Zeitraum bis 28.02.2014 unter jeweiliger Verlängerung bis 31.08.2014, 28.02.2015 und 18.08.2015 als Facharbeiter im Bereich “Produktion und Logistik„ ein, erweist sich die zuletzt vereinbarte befristete Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum 18.08.2015 gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG als unwirksam, so dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht und die Arbeitgeberin zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers verpflichtet ist.

 

Normenkette

TzBfG § 14 Abs. 2 S. 2, § 16 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 14.01.2016; Aktenzeichen 21 Ca 5246/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.01.2019; Aktenzeichen 7 AZR 733/16)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 14. Januar 2016 - 21 Ca 5246/15 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
  3. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Befristung. Der Kläger hat außerdem einen Weiterbeschäftigungsantrag gestellt.

Der am 00. 0000 1972 geborene Kläger war vom 19. März 2004 bis 30. September 2005 befristet als gewerblicher Mitarbeiter bei der Beklagten, einer Automobilherstellerin, tätig.

Mit Wirkung zum 19. August 2013 stellte die Beklagte den Kläger erneut auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 18. Juli 2013 (Bl. 9 bis 13 der ArbG-Akte) befristet für den Zeitraum bis 28. Februar 2014 als Facharbeiter im Bereich "Produktion und Logistik" ein. Mit Zusatzvereinbarungen vom 23. Januar 2014 (Bl. 14 der ArbG-Akte), 17. Juli 2014 (Bl. 15 der ArbG-Akte) und 12. Februar 2015 (Bl. 16 der ArbG-Akte) vereinbarten die Parteien jeweils eine Befristungsverlängerung bis 31. August 2014, 28. Februar 2015 und 18. August 2015. Der Kläger erzielte zuletzt ein durchschnittliches Bruttomonatsentgelt von 5.943,33 €. Mit Schreiben vom 26. Februar 2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie nicht bereit sei, das Arbeitsverhältnis über den 18. August 2015 hinaus fortzusetzen.

Der Kläger hat vorgetragen: die Berufung der Beklagten auf eine sachgrundlose Befristung gem. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG scheitere an dem Umstand, dass zwischen den Parteien bereits in der Zeit vom 19. März 2004 bis 30. September 2005 ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Wie der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts bereits mit Urteil vom 06. November 2003 (2 AZR 21/03) entschieden habe, komme es für das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht auf den zeitlichen Abstand zu einem früheren Arbeitsverhältnis an. Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in seinen Entscheidungen vom 06. April 2011 (7 AZR 716/09) und 21. September 2011 (7 AZR 375/10) könne nicht gefolgt werden.

Der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch werde für den Fall geltend gemacht, dass das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Befristung feststelle.

Mit seiner am 17. August 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 24. August 2015 zugestellten Klage hat der Kläger zuletzt beantragt:

  1. Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund Befristung mit Ablauf des 18. August 2015 beendet worden ist.
  2. Die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Facharbeiter im Bereich "Produktion und Logistik" weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen: nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die von zahlreichen Arbeitsgerichten und Landesarbeitsgerichten geteilt werde, stehe ein früheres Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit demselben Arbeitgeber einer weiteren sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht entgegen, wenn das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses länger als drei Jahre zurückliege. Sinn und Zweck des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sei die Verhinderung einer missbräuchlichen Verwendung von Kettenbefristungen. Eine Auslegung dahingehend, d...

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