Entscheidungsstichwort (Thema)

Verzugslohnklage eines Gebäudereinigers bei Ausspruch eines Hausverbots durch die Auftraggeberin der Arbeitgeberin

 

Leitsatz (amtlich)

1. Spricht der Auftraggeber gegenüber dem Arbeitnehmer ein Hausverbot aus und besteht für den Auftraggeber keine andere Beschäftigungsmöglichkeit, tritt gem. § 297 BGB kein Annahmeverzug des Arbeitgebers ein (im Anschluss an BAG, Urteil vom 18.09.2008, 2 AZR 1060/06)

2. Der Arbeitgeber, der sich arbeitsvertraglich dazu verpflichtet, den Arbeitnehmer ausschließlich beim Auftraggeber zu beschäftigen, übernimmt damit grundsätzlich das Risiko eines vom Auftraggeber verursachten Arbeitsausfalls. § 615 Satz 3 BGB ist entsprechend anzuwenden.

3. Ist das Verhalten des Arbeitnehmers Anlass für das Hausverbot des Auftraggebers, geht das Arbeitsausfallrisiko nur in den Fällen auf den Arbeitnehmer über, in denen auch der Arbeitgeber die Arbeitsleistung auf Grund des Verhaltens des Arbeitnehmers nach Treu und Glauben hätte ablehnen können.

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, §§ 293, 296, 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, § 611 Abs. 1, § 615 Sätze 1, 3; SGB X § 115 Abs. 1; SGB II § 34b; RTV-Gebäudereinigerhandwerk § 22

 

Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Entscheidung vom 25.11.2014; Aktenzeichen 7 Ca 195/11)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 28.09.2016; Aktenzeichen 5 AZR 224/16)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 25.11.2014 (7 Ca 195/11) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    1. Die Beklagte wird verurteilt, 40.833,37 Euro brutto an das Jobcenter M., I.-straße 2- 6, M. nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz wie folgt zu zahlen:

      • -

        aus 833,37 Euro ab dem 16.06.2011.

      • -

        aus jeweils 1.000,00 Euro ab dem 16.07., 16.08., 16.09., 18.10., 16.11. und 16.12.2011 sowie ab dem 17.01.2012.

      • -

        aus jeweils 1.000,00 Euro ab dem 16.02., 16.03., 17.04., 16.05., 16.06., 17.07., 16.08., 18.09., 16.10. 16.11. und 17.12.2012 sowie ab dem 16.01.2013.

      • -

        aus jeweils 1.000,00 Euro ab dem 16.02., 16.03, 16.04., 16.05., 18.06., 16.07., 16.08., 17.09., 16.10., 16.11. und 17.12.2013 sowie ab dem 16.01.2014.

      • -

        aus jeweils 1.000,00 Euro ab dem 18.02., 18.03., 16.04., 16.05., 17.06., 16.07., 16.08., 16.09. und 16.10.2014.

    2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
    3. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Kläger zu 1/3, die Beklagte zu 2/3.
  2. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
  3. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
 

Tatbestand

Der Kläger fordert von der Beklagten die Vergütung für den Zeitraum 06.05.2011 bis 30.09.2014 in Höhe von insgesamt 40.833,37 Euro brutto.

Der verheiratete Kläger wurde am 22.04.1966 geboren. Er ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 90 anerkannt. Der Kläger ist von Geburt an fast taub und kann sich deshalb nicht richtig artikulieren. Im Alter von 21 Jahren kam er nach Deutschland.

Die Beklagte ist ein Unternehmen des Gebäudereiniger-Handwerks. Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht seit dem 01.08.2008. Der Kläger verdiente bei einer Wochenarbeitszeit von 26 Stunden monatlich 1.000,-- Euro brutto. Der letzte schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien vom 03.01.2011 enthielt u.a. folgende Regelungen:

"1.1 Der/die Arbeitnehmer/in wird ab dem 01.01.2011 (Vertragsbeginn) befristet bis zum 30.06.2011 (Vertragsende) als Wagenschieber ausschließlich für eine Tätigkeit in dem Objekt M... eingestellt. Eine Versetzung in ein anderes Objekt ist ausgeschlossen. Das Arbeitsverhältnis endet zum oben angegebenen Termin, ohne dass es einer Kündigung bedarf. ...

9.3. Auf das Beschäftigungsverhältnis findet der Rahmentarifvertrag für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung in der jeweiligen Fassung Anwendung. Im Übrigen gelten die Tarifverträge in der Gebäudereinigung nur und solange sie für allgemeinverbindlich erklärt sind."

(Im Einzelnen s. Anlage K 8 zur Klagschrift, Prozessakte des Arbeitsgerichts (im Folgenden: Arb), Bl. 33 ff.).

M. C., der ebenfalls für die Beklagte arbeitete, war Vorarbeiter des Klägers. Er teilte dem Kläger am 05.05.2011 mit, die Beklagte werde das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen. Er brauche am nächsten Tag nicht mehr zur Arbeit erscheinen. Der Kläger trat am 06.05. seine Arbeit an. Er wurde deshalb von S. K., dem Betriebsleiter der M C & C Deutschland GmbH (im Folgenden: M.) zur Rede gestellt. Es kam zwischen beiden zu einer lautstarken Auseinandersetzung. S. K. verlangte vom Kläger, die ihm überlassenen Schlüssel des Marktes heraus. Der Kläger weigerte sich zunächst, die Schlüssel herauszugeben, übergab sie schließlich aber doch.

Am 06.05.2011 erhielt der Kläger das Kündigungsschreiben der Beklagten vom 05.05., mit dem diese das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos, hilfsweise fristgerecht kündigte. Der Kläger erhob Kündigungsschutz- und Befristungsschutzklage. Mit Teilurteil vom 07.11.2011 (Arb Bl. 189 ff.) stellte das Arbeitsgericht fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung der...

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