Entscheidungsstichwort (Thema)
Abmahnung. Falsche Tatsachenlage. Abmahnungswürdiges Verhalten. Redakteur
Leitsatz (redaktionell)
1. Stellt ein Redakteur einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt in einem telefonischen Hörfunk-Interview eine Tatsachenlage objektiv falsch dar, kann er deshalb abgemahnt werden. Auf eine subjektive Vorwerfbarkeit kommt es dabei nicht an.
2. Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG schützt nicht erwiesen oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen.
Normenkette
BGB §§ 611, 242, 1004; GG Art. 5 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Karlsruhe vom 10.10.2001 – 9 Ca 340/01 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
In einem Rechtsstreit um die Entfernung einer Abmahnung und Aufhebung eines Moderationsverbots gegenüber dem seit 1977 in ungekündigtem Arbeitsverhältnis als Redakteur und Reporter bei dem Beklagten, einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, beschäftigten Kläger hatte das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 02.08.2000 festgestellt, dass die von dem Beklagten erteilte Abmahnung aus den Akten des Beklagten zu entfemen und das Moderationsverbot aufzuheben war. In Kenntnis dieses Urteils erteilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 15.12.2000 folgende weitere Abmahnung:
Sehr geehrter Herr …,
am 15. März 1999 haben sie ein Telefon-Interview mit dem Korrespondenten des BR in Pristina/Kosovo geführt und ihm abschließend die folgende Frage gestellt:
„Was erfahren Sie über die Urheber der Bombenanschläge der letzten Tage? Da muss man ja nach dem angeblichen Massaker von Racak, das nach internationalen Untersuchungen keines gewesen ist, etwas vorsichtig sein, weil damit Propaganda und Politik gemacht wird.”
Am 15. März 1999 gab es jedoch keine internationale Untersuchung, die die Existenz des Massakers von Racak in Abrede gestellt hätte. Es gab – für Sie erkennbar – lediglich eine internationale Untersuchung, aber noch kein abschließendes Ergebnis. Ihre Darstellung der damaligen Nachrichtenlage war demnach unkorrekt und geeignet, eine Fehlinformation der Hörer herbeizuführen.
Als Mitarbeiter einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt sind Sie wegen der erhöhten Glaubwürdigkeit, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk genießt, zu besonderer Sorgfalt bei der Wiedergabe von Nachrichten, insbesondere in einer Krisensituation, verpflichtet. Diese Sorgfaltspflicht haben Sie in einer Weise vernachlässigt, die nicht hingenommen werden kann.
Wir hatten Sie deshalb bereits mit Schreiben vom 18.03.1999 abgemahnt. Nachdem das Landesarbeitsgericht den Vorwurf der unkorrekten Wiedergabe der damaligen Nachrichtenlage als rügefähig anerkannt, die Entfernung der Abmahnung aus den Akten der Hörfunk-Chefredaktion und der Personalverwaltung jedoch aus anderen Gründen angeordnet hat, sprechen wir hiermit erneut eine
Abmahnung
aus, mit der wir uns auf eine Rüge der unkorrekten Wiedergabe der damaligen Nachrichtenlage beschränken. Sollten Sie zukünftig erneut die Nachrichtenlage nicht korrekt wiedergeben, müssen Sie mit weiteren arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechnen.”
Die am 27.06.2000 hiergegen eingereichte Klage wies das Arbeitsgericht mit Urteil vom 10.10.2001 ab, da der Beklagte lediglich die nicht korrekte Wiedergabe der Nachrichtenlage durch den Kläger in dem zitierten Telefon-Interview gerügt habe, ohne dass es sich dabei um eine Meinungsäußerung unter dem Schutz des Art. 5 GG gehandelt habe.
Mit der am 14.12.2001 eingelegten und am 14.01.2002 begründeten Berufung gegen das am 15.11.2001 zugestellte Urteil verfolgt der Kläger weiter die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Die Abmahnung enthalte unrichtige Behauptungen, da der erhobene Vorwurf objektiv nicht gerechtfertigt sei. Der Kläger habe in dem fraglichen Telefon-Interview die damalige Tatsachenlage richtig wiedergegeben. Zum Zeitpunkt des 15.03.1999 hätten die Befunde eines serbischen Pathologenteams sowie der Leiterin des medizinischen Zentrums der Kliniken von Pristina vorgelegen, die der Darstellung von einem Massaker in Racak erheblich widersprochen hätten. Ferner habe bereits im Februar 1999 der Bericht eines weißrussischen Pathologenteams ein serbisches Massaker an Zivilisten eindeutig verneint. Zweifel an der Darstellung der OSZE-Beobachtergruppe seien daher angebracht gewesen. Eine Rückschau der zutage getretenen Fakten belege dies.
Die Äußerungen des Klägers seien im Bereich der Meinungsfreiheit des Art. 5 GG angesiedelt, durch die Abmahnung sei in den verfassungsrechtlich geschützten Bereich eingegriffen. Die Reaktion der Beklagten sei zumindest unverhältnismäßig.
Demgemäß beantragt der Kläger:
- Das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe wird aufgehoben.
- Der Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung des Klägers vom 15.12.2001 zurückzunehmen und aus den Personalakten des Klägers zu entfemen.
Der Beklagte ...