Leitsatz (redaktionell)
Die Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel auf tarifvertragliche Regelungen kann als zeitdynamische Bezugnahme auszulegen sein. Einer solchen Auslegung steht nicht entgegen, dass die Parteien eines Arbeitsvertrags auf der einen Seite eine bestimmte Tarifgruppe ohne Rücksicht auf die tatsächliche Wertigkeit der Tätigkeit vereinbaren, auf der anderen Seite die Bezahlung aber zeitdynamisch nach dieser Vergütungsgruppe erfolgen soll (Anschluss an BAG, Urteil v. 13.11.2002 – 4 AZR 351/01).
Normenkette
BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 10.12.2004; Aktenzeichen 3 Ca 704/03) |
Nachgehend
Tenor
1. Das Versäumnisurteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg, Kammern Freiburg, vom 10.12.2004 – 9 Sa 47/04 – bleibt aufrecht erhalten.
2. Die Beklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, ab 01.01.2003 die Tarifgehaltserhöhungen des Vergütungstarifvertrages Nr. 35 zum BAT für den Bereich des Bundes und für den Bereich der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder (fortan: BAT) vom 31.01.2003 an den Kläger weiter zu geben.
Die Beklagte ist ein überregionaler Träger von Altenpflegeeinrichtungen, sie beschäftigt bundesweit mehr als 6.000 Arbeitnehmer. Der Kläger ist seit 01.04.2000 als Altenpfleger bei der Beklagten in deren Einrichtung in F. beschäftigt. Er ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di, die Beklagte ist in Baden-Württemberg nicht tarifgebunden. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Formulararbeitsvertrag vom 21.02.2000 zu Grunde. Der Arbeitsvertrag des Klägers lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 5
Der Arbeitnehmer erhält folgende Vergütung:
Vergütungsgruppe/-Stufe Kr 5/5 |
DM |
2.954,90 |
Ortszuschlag |
DM |
1.193,18 |
Allgemeine Zulage |
DM |
192,61 |
Freiwillige Zulage (AT) |
DM |
0,00 |
|
DM |
4.340,69 |
Bei der Verrichtung von Überstunden, für Arbeiten an Sonntagen, Wochenfeiertagen und für Nachtarbeit vereinbaren die Parteien Zuschläge. Hinsichtlich deren Höhe orientieren sich die Parteien an den Beträgen des BAT. Die Vergütungsbestandteile sind abschließend aufgeführt. Die Zahlung der Freiwilligen Zulage (AT) erfolgt freiwillig und steht unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs. Auch bei wiederholter Gewährung entsteht kein Anspruch ….
§ 14
Für die Arbeitsbedingungen im Übrigen gelten die Bestimmungen des Tarifvertrages zwischen der D. Sozialdienste gGmbH in R. und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), Bezirksverwaltung R., in Kraft seit 01.07.1990, längstens jedoch bis zum Zustandekommen eines Tarifvertrages für das jeweilige Tarifgebiet oder die jeweilige Einrichtung …”.
Durch den Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT (fortan: 35. Vergütungs-TV) vom 31.01.2003 wurde die Grundvergütung, der Ortszuschlag und die Allgemeine Zulage u.a. für die Vergütungsgruppen Kr I–XI ab 01.01.2003 um 2,4 % erhöht. Zusätzlich erhalten diejenigen Angestellten, die im Monat Februar 2003 Anspruch auf Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis haben, das am 02.01.2003 bereits bestanden hat, im Monat März 2003 eine Einmalzahlung in Höhe von 7,5 % der Vergütung (Grundvergütung, Ortszuschlag, § 26 Abs. 1 BAT, einschl. der Allgemeinen Zulage), höchstens jedoch EUR 185,00. Bei der Bemessung der Einmalzahlung ist die Vergütung des Monats Dezember 2002 zugrunde zu legen.
Die Beklagte gab in der Vergangenheit die Erhöhungen der Vergütungen entsprechend der jeweiligen Vergütungstarifverträge zum BAT in entsprechender Höhe eins zu eins weiter. Die Verdienstabrechnung des Klägers für Dezember 2002 beinhaltet in ihrer Kopfzeile die Formulierung „Tarif BAT, KR – Tarifgruppe 05 a, Stufe 9”, (der Kläger erhielt ab Juni 2000 Vergütung nach Vergütungsgruppe/-Stufe KR 5 a/9). Die Tarifgehaltserhöhungen nach dem 35. Vergütungs-TV hat die Beklagte nicht weitergegeben. Der Kläger verlangt auf der Grundlage seiner arbeitsvertraglichen Vergütungsgruppe/-Stufe zum BAT die der Höhe nach unstreitige Einmalzahlung (EUR 137,00 brutto anstatt maximal EUR 185,00 brutto), die Erhöhung der Grundvergütung einschließlich des Ortszuschlags und der Allgemeinen Zulage für die Monate Januar 2003 bis März 2004, den erhöhten Ortszuschlag jedoch nur für die Monate von Juni 2003 bis März 2004. Die Ausschlussfrist des § 70 BAT ist bzw. wäre insoweit jeweils gewahrt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 08.07.2004 Bezug genommen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Forderungen seien auf der Grundlage des § 5 des Arbeitsvertrages gerechtfertigt. § 5 beinhalte eine zeitdynamische Rechtsfolgenverweisung auf den BAT.
Der Kläger hat zuletzt beantragt:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 137,00 brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu bezahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 847,40 brutto nebst 5 Pro...