Verfahrensgang
ArbG Karlsruhe (Urteil vom 26.07.2000; Aktenzeichen 9 Ca 38/00) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Karlsruhe vom 26.07.2000 – Az.: 9 Ca 38/00 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die am 11.06.1941 geborene Klägerin stand mit der Beklagten, bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit dem 16.06.1983 als Lagerarbeiterin in einem Arbeitsverhältnis, bis es aus betrieblichen Gründen von der Beklagten am 08.10.1999 zum 30.04.2000 wegen räumlicher Verlegung des Lagers unter sofortiger Freistellung von der Arbeitsverpflichtung gekündigt wurde.
Vergeblich verlangte die Klägerin von der Beklagten die Gewährung einer Sonderzahlung (Weihnachtsgeld) für das Jahr 1999 unter Berufung auf den einzelvertraglich zu Grunde gelegten „Tarifvertrag über Jahressonderzahlungen” der baden-württembergischen Texilindustrie vom 06.05.1980 in rechnerisch unstreitiger Höhe von DM 2.847,00 brutto. Nach § 2 Abs. 2 dieses Tarifvertrages ist Leistungsvoraussetzung, dass das Arbeitsverhältnis am Stichtag, dem 31.10. des Kalenderjahres, mindestens zwei Monate bestanden hat und sich im ungekündigten Zustand befindet. Nur im Falle einer betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung wird von der zweiten Voraussetzung – dem ungekündigten Zustand – unter anderem dann eine Ausnahme gemacht, wenn das Arbeitsverhältnis „in der zweiten Kalenderjahreshälfte endet”.
Die Klägerin hat vor dem Arbeitsgericht beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für das Jahr 1999 eine Jahressonderzahlung in Höhe von DM 2.847,00 brutto nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 14.12.1999 zu bezahlen.
Die Beklagte hat ihren Klagabweisungsantrag mit der Erwägung begründet, die Tatbestandsvoraussetzungen von § 2 Abs. 2 des Tarifvertrages setzten für den Normalfall den ungekündigten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses voraus. Die Ausnahmeregelung von § 2 Abs. 5 des Tarifvertrages sei auf die Fälle begrenzt, in denen aus betriebsbedingten Gründen das Arbeitsverhältnis noch im Auszahlungsjahr ende. Eine derartige Ausnahmeregelung könne nicht über ihren Wortlaut hinaus extensiv ausgelegt werden. Vorliegend habe das Arbeitsverhältnis erst vier Monate nach Beendigung des Kalenderjahres, für das die Sonderzahlung gedacht sei, sein rechtliches Ende gefunden.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung der oben erwähnten Summe nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 14.12.1999 verurteilt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch folge aus einer den Zusammenhang und den Zweck des Tarifvertrages einbeziehenden ergänzenden Auslegung.
Die Beklagte rügt mit ihrer Berufungsbegründung, eine derartige anspruchsausweitende Tarifauslegung sei unzulässig, da die von den Tarifvertragsparteien offen gelassene Regelungslücke weder planmäßig, noch unbewusst entstanden sei. Es sei vielmehr unbewusst davon Abstand genommen worden, denjenigen Arbeitnehmern eine Sonderzahlung zu gewähren, die aufgrund langer Kündigungsfristen über das Jahresende hinaus wenn nicht „in Lohn” – wegen der Suspendierung –, so doch „in Brot” gestanden hätten. Die nur ratierliche Bejahung eines Zuwendungsanspruchs im Falle einer betriebsbedingten Kündigung gem. § 2 Abs. 5 des Tarifvertrages lasse erkennen, dass die Tarifvertragsparteien auf eine weitestgehende wirtschaftliche Schonung der in einer harten Weltmarktkonkurrenz stehenden Textilindustrie Wert gelegt hätten. Die mit der Stichtagsregelung (Jahresende) einhergehende Ungleichbehandlung sei nicht unzulässig, da die Tarifvertragsparteien dem Gleichheitssatz garnicht verpflichtet seien; zumindest liege aber ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung in der längeren finanziellen Absicherung der Gruppe derjenigen Arbeitnehmer, deren Kündigungsfrist in das Folgejahr hineinrage. Hierzu zähle auch die Klägerin.
Die Beklagte beantragt:
- Das Urteil des Arbeitsgerichtes Karlsruhe vom 26.07.2000 – Az.: 9 Ca 38/00 – wird abgeändert.
- Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Berufung im wesentlichen mit der Begründung, der Zweck der Zuwendung liege in der Honorierung bewiesener und in der Erwartung künftiger Betriebstreue; letzteres folge aus der Klausel, wonach das Weihnachtsgeld zurückgezahlt werden müsse, wenn das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitnehmers im ersten Quartal des Folgejahres beendet werde. Künftige Betriebstreue scheitere im vorliegenden Fall aber ausschließlich aus Gründen, die in der Sphäre der Beklagten lägen und die die Klägerin nicht habe beeinflussen können. Der Zweck der Honorierung von in der Vergangenheit bewiesener Betriebstreue würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn ausgerechnet diejenigen Arbeitnehmer, die am längsten der Beklagten die Treue gehalten hätten, wegen der hieraus resultierenden längeren Kündigungsfrist gegenüber den „Kürzer-Gedienten” benachteiligt und mit dem vollständigen Entzug der Zuwendung bestraft würden.
Hinsichtlich...