Entscheidungsstichwort (Thema)

Günstigkeitsprinzip. Weisungsrecht des Arbeitgebers. hier: Weisung an Solisten. weitere Instrumente einer Instrumentengruppe zu spielen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Tarifvertragsparteien können durch tarifliche Regelungen den Inhalt der Arbeitsaufgabe (hier: Spielen von weiteren Instrumenten) erweitern.

2. Zur Auslegung, ob eine ältere Arbeitsvertragsregelung eine günstigerere abweichende Regelung darstellt.

 

Normenkette

GewO § 106

 

Verfahrensgang

ArbG Freiburg i. Br. (Urteil vom 09.02.2010; Aktenzeichen 4 Ca 294/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.01.2012; Aktenzeichen 10 AZR 777/10)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 09.02.2010, Az. 4 Ca 294/09 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Umfang des Direktionsrechts. Die Beklagte macht geltend, dass der Kläger verpflichtet ist Nebeninstrumente zu spielen und, dass er nicht nur alternierend eingesetzt werden darf. Der Kläger hingegen ist der Auffassung, dass er dazu nicht verpflichtet ist, weil die Parteien eine andere arbeitsvertragliche Regelung getroffen haben.

Die beklagte Anstalt des öffentlichen Rechts betreibt unter anderem ein bedeutendes Sinfonieorchester. Der Kläger ist dort seit 17.08.1993 als 1. und Solo-Trompeter beschäftigt.

Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 14.01.1997 (Anlage K1, AS 12) heißt es:

„§ 1 Vereinbarte Tätigkeit, Beschäftigungsort

Das Orchestermitglied wird … als 1. und Solotrompeter beschäftigt.

Das Orchestermitglied ist für folgende Instrumente verpflichtet:

Hauptinstrument:

Trompete

Nebeninstrument(e):

§ 2 Arbeitsvertrag – Tarifvertrag – Orchesterordnung

Der für den Südwestfunk geltende Orchestertarifvertrag sowie die Orchesterordnung des Südwestfunks sind Bestandteil des Arbeitsvertrages.

§ 4 Besondere Vereinbarungen

Keine”

Entsprechende Regelungen finden sich bereits in dem vorherigen Arbeitsvertrag vom 20. April 1993.

Im Arbeitsverhältnis der Parteien galt zunächst der Orchestertarifvertrag gemäß Ziffer 111.1 S. 2 des Manteltarifvertrags für den Südwestfunk (OTV).

Der Arbeitsvertrag der Parteien entspricht dem Musterarbeitsvertrag zum OTV.

Seit 01.01.2008 gelten neue Tarifverträge, die kraft der beiderseitigen Tarifbindung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Dazu zählen:

  • • der Klangkörper-Ergänzungstarifvertrag zum Manteltarifvertrag des SWR (KETV-MTV)
  • • der Vergütungstarifvertrag für die Mitglieder der Klangkörper im Südwestrundfunk (KTV-V),
  • • der Klangkörper-Ergänzungstarifvertrag zum TV Arbeitszeit des SWR (KETV-TV AZ) und
  • • der Tarifvertrag zur Überleitung in die ab 01.01.2008 in Kraft tretenden Tarifverträge für die Mitglieder der Klangkörper im Südwestrundfunk vom 13.02.2008 (TV ÜK).

Die Parteien sind sich darin einig, dass die arbeitsvertragliche Verpflichtung bezüglich des Hauptinstrumentes Trompete beinhaltet, Große Trompete in allen Stimmungen jeweils in deutscher und amerikanischer Bauweise zu spielen. Darüber hinaus beherrscht der Kläger die weiteren Instrumente der Instrumentengruppe wie Piccolotrompete in allen Stimmungen, Kornett, Flügelhorn, Naturtrompete und Posthorn auf einem Niveau, wie es im Sinfonieorchester des Beklagten geboten ist. In der Vergangenheit war der Kläger vielfach bereit, auf Anfrage des Beklagten diese Instrumente auf der Grundlage einer Honorarvereinbarung im Einzelfall zu spielen (im Einzelnen S. 9 f des Schriftsatzes des Beklagten vom 15.12.2009, AS 136 f).

Seit Inkrafttreten der neuen Tarifverträge macht der Beklagte geltend, er könne das Spielen der weiteren Instrumente der Instrumentengruppe gegen Zahlung einer Zulage anweisen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Klage.

Der Beklagte stützt sich zur Begründung der Verpflichtung, die weiteren Instrumente zu spielen, auf die Mitwirkungspflicht nach Nr. 8 TZ 310.1 KETV-MTV (AS 23). Diese Vorschrift lautet:

„Im Rahmen der durch die jeweiligen Klangkörper wahrzunehmenden Aufgaben sind die Klangkörpermitglieder verpflichtet, in bzw. mit allen in Anlage 2 des Klangkörpertarifvertrag-Vergütung näher bezeichneten Stimmen bzw. Instrumenten der jeweiligen Stimm- bzw. Instrumentengruppe mitzuwirken. Hierbei soll auf die Stellung der Musikerin im Klangkörper Rücksicht genommen werden.

Eine Mitwirkungspflicht besteht allerdings nur insoweit, als diese Stimmen bzw. Instrumente spieltechnisch und künstlerisch den Anforderungen des jeweiligen Klangkörpers entsprechend beherrscht werden; dies gilt nicht für arbeitsvertraglich vereinbarte Instrumente / Stimmen.

Darüber hinaus sind Klangkörpermitglieder verpflichtet, an Aktionen mitzuwirken, soweit diese zumutbar, d.h. insbesondere mit den Persönlichkeitsrechten des Einzelnen vereinbar sind.

Aktionen sind partiturgemäße oder inszenierungsbedingte Handlungen, die nach kurzer Einweisung zu realisieren sind und keine spezielle Aus- / Vorbildung erfordern.”

Nach Anlage 2 KTV-V (AS 36) gehören zur Instrumentengruppe Trompete neben der Großen Trompete in allen Stimmung...

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