Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährung und Verfall während der Elternzeit entstehenden Urlaubs
Leitsatz (amtlich)
1. Der während der Elternzeit entstehende Urlaub verfällt nicht nach § 7 Abs. 3 BUrlG (BAG 19.03.2019 - 9 AZR 495/17).
2. Die Verjährung des während der Elternzeit entstehenden Urlaubs beginnt - die Möglichkeit der Verjährung unterstellt - frühestens mit dem Ende der (letzten) Elternzeit.
3. Das Verständnis von § 17 Abs. 12 BEEG iVm. § 7 Abs. 3 Satz 1 bis 3 BUrlG, wonach letztere Vorschrift auf Urlaubsansprüche, die während der Elternzeit entstanden sind, nicht anwendbar ist und der Urlaub im Falle einer unterbliebenen Kürzung nach § 17 Abs. 1 BEEG bei Ende des Arbeitsverhältnisses abzugelten ist, ist nicht verfassungswidrig.
4. Zur Bindungwirkung einer Revisionsentscheidung
Normenkette
BUrlG § 7 Abs. 3; BEEG § 17
Verfahrensgang
ArbG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 08.02.2017; Aktenzeichen 6 Ca 341/16) |
Tenor
I.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg - Kammern Offenburg vom 8.2.2017 - 6 Ca 341/16 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 14.525,16 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 15.5.2016 zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
III.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtstreits.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung für die Jahre 2011 bis 2015. Die Klägerin war ab dem 1. April 2005 bei der Beklagten gegen eine Vergütung von zuletzt 2.017,20 Euro brutto als Bürokauffrau beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 31. März 2005 vereinbarten die Parteien einen Jahresurlaub von 27 Arbeitstagen. Nach Ablauf des Beschäftigungsverbots im Anschluss an die Geburt ihrer Tochter am 28. August 2010 nahm sie ab dem 24. Oktober 2010 bis zum 23. Oktober 2012 Elternzeit in Anspruch. Diese verlängerte sie bis zum 23. Oktober 2013. Für ihren am 15. Mai 2013 geborenen Sohn nahm sie während der ersten Elternzeit eine zweite Elternzeit vom 15. Mai 2013 bis zum 14. Mai 2016 in Anspruch.
Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis zum Ende der Elternzeit am 14. Mai 2016. Mit Schreiben vom 22. Juli 2016 verlangte sie von der Beklagten die Abgeltung von insgesamt 70 Arbeitstagen Urlaub für die Kalenderjahre 2014 bis 2016. Die Beklagte wies die Ansprüche am 28. Juli 2016 unter Hinweis auf die Kürzungsmöglichkeit nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG zurück.
Mittlerweile ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte nach der Inanspruchnahme der Elternzeit weder für das erste noch für das zweite Kind eine Erklärung zur Kürzung des Urlaubs abgegeben hat.
Ebenso ist mittlerweile unstreitig, dass die Klägerin für die Jahre 2011 bis 2014 einen Urlaubsanspruch von je 29 und für die Jahre ab 2014 von je 30 Arbeitstagen hatte.
Mit der am 5. September 2016 eingegangenen Klage hat die Klägerin für die Kalenderjahre 2014 und 2015 die Abgeltung von jeweils 30 Arbeitstagen Urlaub und für das Jahr 2016 die Abgeltung von 10 Arbeitstagen Teilurlaub geltend gemacht. Sie hat ihre Klage am 23. September 2016 um die Abgeltung von jeweils 30 Arbeitstagen Urlaub für die Jahre 2011 bis 2013 erweitert.
Die Klägerin hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an sie für die Jahre 2014, 2015 und 2016 6.517,70 Euro brutto als Urlaubsabgeltung zu bezahlen nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15. Mai 2016;
- die Beklagte zu verurteilen, an sie für die Jahre 2011, 2012 und 2013 8.379,90 Euro brutto als Urlaubsabgeltung zu bezahlen nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15. Mai 2016.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unabhängig von einer Kürzungserklärung seien die Urlaubsansprüche der Klägerin für volle Kalenderjahre der Elternzeit jedenfalls am 31. März des auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres verfallen.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin zur Abgeltung des Teilurlaubs für das Jahr 2016 einen Betrag i.H.v. 931,10 Euro brutto nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Juli 2016 zu zahlen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat das Bundesarbeitsgericht durch Urteil vom 19. März 2019 die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben, soweit es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen hat und den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Im weiteren Verlauf des Rechtstreits nach Zurückverweisung des Rechtsstreits hat die Beklagte vorgetragen, das Landesarbeitsgericht sei ausnahmsweise nicht an die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts gebunden, weil diese eine verfassungswidrige richterliche Rechtsfortbildung darstelle, die den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers übergehe.
Die allgemeine Handlungsfreiheit des Arbe...