Entscheidungsstichwort (Thema)

Eigenmächtige Arbeitsleistung mit Verdrängung eines anderen Arbeitnehmers als außerordentlicher Kündigungsgrund. Umfang des Weisungsrechtes eines Pfarrers in der Erzdiözese Freiburg. Unschädlichkeit der lückenhaften Anhörung der Mitarbeitervertretung. Keine Schädigung des Arbeitgebers als arbeitsvertragliche Nebenpflicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Beharrt ein Arbeitnehmer darauf, zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort eigenmächtig eine Arbeitsleistung zu erbringen und verhindert er dadurch bewusst, dass der vom Arbeitgeber hierfür eingeteilte Arbeitnehmer diese Arbeitsleistung erbringt, ist dies - nach einschlägiger Abmahnung - geeignet, einen Kündigungsgrund für eine außerordentliche Kündigung zu bilden.

2. Dienstvorgesetzter eines im Dienst einer Kirchengemeinde der Erzdiözese Freiburg stehenden Kirchenmusikers ist gemäß § 5 der Dienstordnung für Kirchenmusiker (DO, Anlage 4f zur Arbeitsvertragsordnung für den kirchlichen Dienst in der Erzdiözese Freiburg ≪AVO≫) der Pfarrer dieser Kirchengemeinde. Ihm obliegt es zu bestimmen, wann der Kirchenmusiker im Rahmen seiner Arbeitszeit für die Kirchengemeinde zu musizieren hat und wann nicht. Sind an einer Kirche mehrere Kirchenmusiker tätig, schränken §§ 3, 4 DO das Weisungsrecht des Pfarrers nicht von vornherein dahingehend ein, dass stets nur einer dieser Kirchenmusiker das Weisungsrecht hinsichtlich der Lage der einzelnen Kirchenmusikereinsätze ausüben dürfte.

3. Hört der Arbeitgeber die zuständige Mitarbeitervertretung zur beabsichtigten Kündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers mit der Angabe an, dem Arbeitnehmer solle außerordentlich gekündigt werden, hilfsweise solle ihm außerordentlich aus wichtigem Grund unter Gewährung einer der ordentlichen Kündigung entsprechenden Auslauffrist gekündigt werden, und spricht der Arbeitgeber im Anschluss entsprechende außerordentliche Kündigungen aus, ist es unschädlich, wenn die Mitarbeitervertretung nicht zusätzlich ausdrücklich über die ordentliche Unkündbarkeit des Arbeitnehmers informiert worden ist.

 

Normenkette

BGB §§ 138, 242, 612a, 626; AVO für den kirchlichen Dienst in der Erzdiözese Freiburg; AVO für den kirchlichen Dienst in der Erzdiözese Freiburg Anl. 4 f.; MAVO Erzdiözese Freiburg; KVO Teil III; BGB § 241 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Heilbronn (Entscheidung vom 27.09.2018; Aktenzeichen 1 Ca 187/18)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 27.09.2018 - 1 Ca 187/18 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch die arbeitgeberseitige außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund vom 11.05.2018 fristlos mit deren Zugang am 11.05.2018 aufgelöst worden ist. Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch diese Kündigung aufgelöst worden ist, streiten sie darüber, ob es durch die von der beklagten Arbeitgeberin hilfsweise ausgesprochene außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund vom 11.05.2018 mit Auslauffrist zum Ablauf des 31.12.2018 aufgelöst worden ist. Für den Fall ihres Obsiegens mit dem Antrag Nr. 1 erstrebt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zu ihrer Weiterbeschäftigung als Organistin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens. Darüber hinaus verfolgt die Klägerin einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr einen schriftlichen Arbeitsvertrag als Organistin anbietet.

Die am XX.XX.XXXX geborene Klägerin ist seit dem 19.08.1994 als Organistin im streitgegenständlichen Arbeitsverhältnis beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert nicht. Die Klägerin ist ausgebildete Kirchenmusikerin. Sie hat ein Bachelor-Studium für Kirchenmusik abgeschlossen. Arbeitgeberin der Klägerin war zuletzt die Kirchengemeinde. T.. Diese Kirchengemeinde ist aus der Fusionierung mehrerer Kirchengemeinden entstanden, unter anderem der Kirchengemeinde L. Eine andere Organistin, Frau W., war vor der Fusionierung in der Kirchengemeinde L. beschäftigt, die Klägerin hingegen von Anfang an in derjenigen Kirchengemeinde in T., zu der schon damals die Kirche M. gehörte.

Die monatliche Arbeitszeit der Klägerin betrug regelmäßig vier Stunden. Tariflich eingruppiert und vergütet wurde sie als B-Kirchenmusikerin. Ihre Bruttostundenvergütung betrug zuletzt 33,50 €. Die Dienstgeberin der Klägerin, die Kirchengemeinde T., wird vertreten durch ihren Kirchenvorstand, dieser wiederum durch den Herrn H.. Diese Kirchengemeinde gehört zur Erzdiözese Freiburg. Die Klägerin ist kraft der unstreitig auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren AVO (Arbeitsvertragsordnung für den kirchlichen Dienst in der Erzdiözese Freiburg - AVO) nicht mehr ordentlich kündbar (vgl. Seite 2 des Protokolls über den Berufungsverhandlungstermin vom 17.12.2019).

Mit Schreiben vom 17.10.2000 wandte sich die Klägerin an den Stiftungsrat der damaligen Pfarrgemeinde M., der Rechtsvorgängerin der jetzigen Beklagten, und bat unter dem ...

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