Rechtsmittel eingelegt: ja

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle

 

Leitsatz (amtlich)

Bei § 12 Abs. 1 Ziffer 1 und 4 RTV handelt es sich nicht um konstitutive, eigenständige Regelungen, sondern lediglich um deklaratorische Bestimmungen, durch die selbst gerade keine Regelung getroffen, sondern lediglich auf die kraft Gesetzes ohnehin geltende Rechtslage hingewiesen wird.

 

Normenkette

Rahmentarifvertrag für die Beschäftigten der Steine- und Erdenindustrie in Baden-Württemberg vom 03.06.1991 (RTV)

 

Verfahrensgang

ArbG Reutlingen (Urteil vom 20.08.1997; Aktenzeichen 6 Ca 76/97)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 20.08.97 – 6 Ca 76/97 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger für die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit im Oktober und November 1996 Entgeltfortzahlung in Höhe von 100 % seiner regelmäßigen Vergütung verlangen kann.

Der Kläger ist bei der Beklagten als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit die Tarifverträge für die Beschäftigten der Steine- und Erdenindustrie in Baden-Württemberg Anwendung. Der ab 01. April 1991 geltende Rahmentarifvertrag für die Beschäftigten der Steine- und Erdenindustrie in Baden-Württemberg vom 03. Juni 1991 (im folgenden: RTV 91) sieht in § 12 unter der Überschrift „Arbeitsverhinderung” unter anderem folgendes vor:

„1. Krankheit

  1. Wenn der Beschäftigte infolge unverschuldeter Krankheit oder Krankheit infolge eines Arbeitsunfalles an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, so ist ihm das Arbeitsentgelt gemäß den Bestimmungen des Lohnfortzahlungsgesetzes weiterzuzahlen.
  2. Ein Arbeits- oder Wegeunfall ist ein Unfall, der im Sinne der betreffenden gesetzlichen Bestimmungen als Unfall von der zuständigen Berufsgenossenschaft anerkannt wurde.
  3. Die Erkrankung des Beschäftigten ist dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. Die Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit ist innerhalb von 3 Tagen vorzulegen.
  4. In Krankheitsfällen und während eines ärztlich verordneten Heilverfahrens ist der vereinbarte Lohn/das vereinbarte Gehalt bis zur Dauer von 6 Wochen fortzuzahlen.”

Wegen des weiteren Inhalts des RTV 91 wird auf das in Tasche Blatt 94 d. A. befindliche Exemplar Bezug genommen.

Bis 31. März 1991 gab es keinen einheitlichen Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer und die Angestellten. Vielmehr galt für die Arbeiter der Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Steine- und Erdenindustrie in Baden-Württemberg vom 30. Januar 1989 (im folgenden: RTV 89), für die Angestellten der Manteltarifvertrag für die Angestellten der Steine- und Erdenindustrie in Baden-Württemberg vom 30. Januar 1989 (im folgenden: MTV 89).

Der RTV 89 sah in § 8 unter der Überschrift „Arbeitsausfall” unter anderem folgendes vor:

„5. Arbeitsausfall infolge Krankheit oder Betriebsunfall

  1. Wenn der Arbeitnehmer infolge unverschuldeter Krankheit oder Krankheit infolge eines Arbeitsunfalles an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, so ist ihm das Arbeitsentgelt gemäß den Bestimmungen des Lohnfortzahlungsgesetzes weiterzuzahlen.
  2. Ein Arbeitsunfall ist ein Unfall, der im Sinne der betreffenden gesetzlichen Bestimmungen als Arbeitsunfall gilt.
  3. Die Erkrankung des Arbeitnehmers ist dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. Die Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit ist innerhalb von 3 Tagen vorzulegen.”

Der MTV 89 sah in § 13 unter der Überschrift „Arbeitsverhinderung” unter anderem folgendes vor:

„1. Krankheit

  1. In Krankheitsfällen ist der Angestellte verpflichtet, dem Arbeitgeber unverzüglich Mitteilung zu machen.

    Die Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit ist innerhalb von 3 Tagen vorzulegen.

  2. In Krankheitsfällen und während eines ärztlich verordneten Heilverfahrens ist das vereinbarte Gehalt bis zur Dauer von 6 Wochen fortzuzahlen.
  3. Angestellte erhalten nach Ablauf der Gehaltsfortzahlung als Zuschuß zu den Barleistungen der Krankenkasse nach 5jähriger Zugehörigkeit zu demselben Unternehmen für einen Monat, nach mindestens 10jähriger Zugehörigkeit zu demselben Unternehmen für 2 Monate den Unterschiedsbetrag zwischen 90 % der monatlichen Nettogehaltsbezüge und dem aus Anlaß der Krankheit von öffentlichen oder privaten Kassen bezogenen Krankengeld.”

Der Kläger war im Oktober 1996 71 und im November 1996 155 Arbeitsstunden arbeitsunfähig krank. Die Beklagte rechnete diese Arbeitsstunden lediglich mit 80 % des vereinbarten Stundenlohns von DM 22,69 brutto ab und zahlte statt DM 5.127,94 lediglich DM 4.102,34 brutto aus.

Der Kläger ist der Auffassung, daß ihm die Differenz in Höhe von DM 1.025,60 brutto gemäß § 12 I RTV 91 zustehe. Bei dieser tariflichen Bestimmung handle es sich um eine eigenständige, konstitutive Regelung, aufgrund derer er unabhängig von der zum 01. Oktober 1996 erfolgten Änderung des Entgeltfortzahlungsgesetzes Lohnfortzahlung in Höhe von 100 % beanspruchen könne.

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