Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines PKW-Erprobungsfahrers auf Annahmeverzugsvergütung bei unwirksamer Anordnung von Kurzarbeit. Rechtmäßigkeit einer Vereinbarung über den Ausschluss von Urlaubsabgeltung für vertraglichen Mehrurlaub
Leitsatz (amtlich)
1. Im Falle der Anordnung von Kurzarbeit - auch bei unwirksam angeordneter Kurzarbeit - muss der Arbeitnehmer, um seinen Arbeitgeber in Annahmeverzug zu versetzen, seine Arbeitsleistung zumindest wörtlich anbieten. Das kann beispielsweise durch einen Protest gegen die Kurzarbeit geschehen. Die bloße Frage, wann es mit der Arbeit weitergehe, oder die Frage, warum andere Arbeitnehmer nicht in Kurzarbeit beschäftigt würden, stellen ebenso wenig einen ausreichenden Protest dar wie das Angebot, sich auch bei anderen Firmen einsetzen zu lassen.
2. Eine in allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Klausel, mit der die Urlaubsabgeltung vertraglichen Mehrurlaubs ausgeschlossen wird, ist nicht schon im Falle der Intransparenz der in denselben allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Klauseln über die Übertragung von Urlaub ins nächste Kalenderjahr unwirksam.
Normenkette
BGB §§ 293-294, 615 S. 1, § 295 S. 1, § 307 Abs. 1-2, § 242; BUrlG § 7 Abs. 4, § 11 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 06.12.2022; Aktenzeichen 25 Ca 7031/21) |
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 13.09.2022; Aktenzeichen 25 Ca 7031/21) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 06.12.2022 - 25 Ca 7031/21 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst.
- Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger als Gesamtschuldner 1.033,74 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.11.2021 zu zahlen, insoweit wird das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 13.09.2022 aufgehoben.
- Im Übrigen wird das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 13.09.2022 aufrechterhalten.
II. Die weitergehende Berufung des Klägers und die weitergehende Anschlussberufung der Beklagten werden zurückgewiesen.
III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Die Revision wird insoweit zugelassen, als mit dem vorliegenden Urteil über den Antrag Nr. 20 (Urlaubsabgeltung) entschieden worden ist. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten vor dem Hintergrund einer aus Klägersicht unwirksamen Kurzarbeitsanordnung erstens über Annahmeverzugsvergütung für die Monate April 2020 bis August 2021 sowie zweitens über Urlaubsabgeltung für die Urlaubsjahre 2020 und 2021.
Der Kläger war auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 22.11.2017 ab dem 02.01.2018 als PKW-Erprobungsfahrer bei der Beklagten zu 1 tätig, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren beide Gesellschafter die Beklagten zu 2 und zu 3 sind. Unter dem 04.06.2019 vereinbarten die Arbeitsvertragsparteien einen Nachtrag zum Arbeitsvertrag und unter dem 13.03.2020 eine Vereinbarung über Kurzarbeit (künftig: KurzarbeitsV).
Nr. 5 und Nr. 11 des Arbeitsvertrags vom 22.11.2017 lauten wie folgt:
"5. Urlaub
5.1. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf einen gesetzlichen Mindesturlaub von 28 Arbeitstagen pro Kalenderjahr, bezogen auf eine 5-Tage-Woche. Der Urlaub ist möglichst zusammenhängend zu gewähren.
5.2. Der Arbeitnehmer kann Urlaub erst antreten, wenn dieser vom Arbeitgeber schriftlich genehmigt oder festgelegt worden ist.
11. Ausschlussfristen
11.1. Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Fälligkeit in Textform geltend gemacht werden. Erfolgt dies nicht, verfallen die Ansprüche.
11.2. Lehnt der Leistungspflichtige den Anspruch in Textform ab oder erklärt er sich hierzu nicht innerhalb eines Monats nach Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder nach dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
11.3. Diese Ausschlussfristen gelten nicht für Ansprüche aus einer Haftung für vorsätzliches Verhalten, für Ansprüche auf Zahlung des Mindestlohns nach dem MiLoG und für andere gesetzliche oder tarifliche Ansprüche, auf die nicht verzichtet werden kann."
Durch Nr. 3 des Nachtrags zum Arbeitsvertrag wurde die Nr. 5 des Arbeitsvertrags wie folgt geändert (die geänderte Fassung wird künftig zitiert als: "Nr. 5 Nachtrag"):
"Ziffer 5 des Arbeitsvertrags wird mit Wirkung zum 01.06.2019 wie folgt neu gefasst:
5. Urlaub
5.1 Der Arbeitnehmer erhält kalenderjährlich einen Jahresurlaub von 28 Arbeitstagen, bezogen auf eine 5 Tagewoche. Der Urlaubsanspruch besteht aus dem gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Arbeitstagen sowie 8 Tagen vertraglichem Mehrurlaub. Der Urlaub ist möglichst zusammenhängend zu nehmen.
5.2 Mit der Gewährung von Urlaub wird bis zu dessen vollständiger Erfüllung zunächst der gesetzliche Mindesturlaub abgegolten. Erst danach wird der vertragliche Mehrurlaub gewährt und damit abgegolten.
5.3 Beginnt oder endet das Arbeitsverhältnis im Lauf des Kale...