Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit und Auslegung der Abbedingung einer Probezeit. Beweiskraft der Zustellung der Kündigung durch Einwurfeinschreiben

 

Leitsatz (amtlich)

1. Enthält ein Arbeitsvertrag die Klausel "Es wird keine Probezeit vereinbart.", liegt darin für sich genommen keine Vereinbarung des Verzichts auf die sechsmonatige Wartezeit bis zum Eingreifen des allgemeinen Kündigungsschutzes nach § 1 Abs. 1 KSchG, sondern nur die Klarstellung, dass keine Probezeit im Sinne des § 622 Abs. 3 BGB, die zu einer kürzeren Kündigungsfrist führen würde, vereinbart wird.

2. Schildert der Erklärende detailliert den gesamten Verlauf der Versendung einer von ihm als Einwurf-Einschreiben abgesandten Willenserklärung bis hin zu dem vom Zusteller dokumentierten Zeitpunkt des Einwurfs in den Hausbriefkasten des Empfängers, genügt für ein Bestreiten des daraus abgeleiteten Zugangszeitpunkts durch den Erklärungsempfänger nicht dessen Angabe, er habe das Schreiben erst zu einem bestimmten (späteren) Zeitpunkt aus dem Briefkasten gezogen. Vielmehr muss der Erklärungsempfänger im Einzelnen schildern, wie er im maßgeblichen Zeitraum seiner Obliegenheit, sich um den Inhalt seines Briefkastens zu kümmern, nachgekommen ist, insbesondere ob und gegebenenfalls wann er in der betreffenden Woche in seinen Briefkasten geschaut und was er darin vorgefunden hat. Unentschieden bleibt, unter welchen Voraussetzungen dem Absender eines Einschreibens ein darüber hinausgehender Anscheinsbeweis zugutekommt.

 

Normenkette

BGB § 130 Abs. 1 S. 1, §§ 162, 622 Abs. 3; KSchG § 1 Abs. 1; ZPO § 138

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 02.08.2018; Aktenzeichen 6 Ca 8032/17)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 02.08.2018 - 6 Ca 8032/17 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung vom 28.11.2017 mit Ablauf des 28.02.2018 beendet worden ist. Kern des Streits ist die Frage, ob auf das am 01.06.2017 begonnene Arbeitsverhältnis der durch das Kündigungsschutzgesetz gewährleistete allgemeine Kündigungsschutz zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits Anwendung fand.

Zum unstreitigen Sachverhalt, zum erstinstanzlichen streitigen Vorbringen der Parteien und zu den erstinstanzlich gestellten Anträgen wird auf den Tatbestand des mit der vorliegenden Berufung angegriffenen Urteils des Arbeitsgerichts vom 02.08.2018 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, da zum Zeitpunkt der Kündigung die so genannte Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG noch nicht erfüllt gewesen sei und die Parteien auch keinen Verzicht auf die Wartezeit vereinbart hätten. Das Kündigungsschreiben vom 28.11.2017 sei der Klägerin spätestens am 30.11.2017 zugegangen, somit innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses. Aufgrund der von der Beklagten vorgelegten Unterlagen über den Weg des Einwurf-Einschreibens sei jedenfalls der Anscheinsbeweis gegeben, dass das Kündigungsschreiben am 29.11.2017 in den Briefkasten der Klägerin in G. eingelegt worden sei. Die Klägerin habe keinerlei Anhaltspunkte zur Entkräftung dieses Anscheinsbeweises vorgetragen. Nachdem zur konkreten Uhrzeit dieses Vorgangs keine näheren Informationen vorlägen, sei jedenfalls von einem Zugang am Folgetag auszugehen. Die Beklagte sei nicht gehalten gewesen, der Klägerin das Kündigungsschreiben an deren Wohnsitz in B. zuzustellen, nachdem die Klägerin als alleinigen Wohnsitz den in G. angegeben habe. Dass der Beklagten, namentlich der damaligen Personalleiterin Frau S., wohl bekannt gewesen sei, dass die Klägerin die Woche über in B. wohne, begründe eine derartige Verpflichtung nicht. Die Parteien hätten auch nicht auf die Einhaltung der Wartefrist nach dem KSchG verzichtet. Aus dem Arbeitsvertrag ergebe sich nur, dass eine Probezeit nicht vereinbart sei. Damit sei lediglich eine verkürzte Kündigungsmöglichkeit innerhalb der ersten sechs Monate nicht eröffnet gewesen. Vielmehr habe von Beginn an die Kündigungsfrist von drei Monaten nach § 13.2 des Arbeitsvertrags vom 19.05.2017 (Anlage B 8, Blatt 96 bis 105 ArbG-Akte, künftig: ArbV) gegolten. Substantiierten Sachvortrag dazu, dass ihr von Frau S. oder einer anderen vertretungsberechtigten Person auf Seiten der Beklagten der Verzicht auf die Wartezeit zugesagt worden sei, habe die Klägerin nicht geleistet. Schließlich sei die Kündigung nicht mangels ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung unwirksam. Die Klägerin habe auf das Bestreiten der Beklagten zur Existenz eines Betriebsrats nichts weiter vorgetragen.

Dieses Urteil wurde der Klägerin am 17.12.2018 zugestellt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin ging beim Landesarbeitsgericht rechtzeitig am 07.01.2019 ein. Auf ihren rechtzeitig am Montag, dem 18.02.2019 eingegangenen Antrag wurde ihre Berufungsbegründungsfrist bis zum 04.03.2019 verlänger...

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