Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss der Sozialplanabfindung bei nicht veranlasster Eigenkündigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf eine Sozialabfindung bei einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers Hier: Keine Veranlassung zur Eigenkündigung durch den Arbeitgeber bei einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in zeitlicher Nöhe zur Teilbetriebsstilllegung ohnehin aufgrund Befristung geendet hätte.
Leitsatz (redaktionell)
1. Kündigt der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis zu einem Zeitpunkt, in dem ihm die Arbeitgeberin nach einer "Betriebsvereinbarung Teilbetriebsstilllegung" noch gar keine Kündigung aussprechen darf, hat er keinen Anspruch auf eine Sozialplanabfindung.
2. Sozialpläne haben gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG eine zukunftsgerichtete Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion; die in ihnen vorgesehenen Leistungen stellen kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit geleisteten Dienste dar, sondern sollen die künftigen Nachteile ausgleichen oder mildern, die den Beschäftigten durch eine Betriebsänderung entstehen können.
3. Bei der Einschätzung der zu erwartenden Nachteile haben die Betriebsparteien einen erheblichen Beurteilungsspielraum; dieser umfasst auch die typisierende Beurteilung, dass Beschäftigten, die ihr Arbeitsverhältnis zu einem früheren Zeitpunkt als durch die Betriebsänderung geboten selbst kündigen, ohne hierzu von der Arbeitgeberin veranlasst zu sein, durch die Betriebsänderung keine oder sehr viel geringere wirtschaftliche Nachteile erleiden als diejenigen, die den mit dem Arbeitsverhältnis verbundenen Besitzstand nicht freiwillig aufgeben, sondern eine Kündigung durch die Arbeitgeberin abwarten.
4. Beschäftigte, deren Eigenkündigung von der Arbeitgeberin veranlasst worden ist, sind mit den von der Arbeitgeberin gekündigten gleich zu behandeln; von der Arbeitgeberin veranlasst ist eine Eigenkündigung, wenn diese bei dem Arbeitnehmer die berechtigte Annahme hervorgerufen hat, dass er mit der eigenen Initiative zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer sonst notwendig werdenden betriebsbedingten Kündigung der Arbeitgeberin nur zuvorkommt.
5. Liegt die vom Arbeitnehmer ausgesprochene Kündigung allein in seinem Interesse, da er ein anderweitiges Arbeitsverhältnis aufnehmen will, und kann er aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht davon ausgehen, dass die Arbeitgeberin von der ihr vertraglich eingeräumten Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung des befristeten Arbeitsverhältnisses überhaupt Gebrauch machen wird, kann der Arbeitnehmer berechtigterweise nicht annehmen, dass er mit seiner Eigenkündigung einer andernfalls von der Arbeitgeberin auszusprechenden betriebsbedingten Kündigung nur zuvorkommt.
Normenkette
BGB § 620 Abs. 2; BetrVG § 112 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten nach Beendigung seines befristeten Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Eigenkündigung die Zahlung einer Sozialplanabfindung.
Der am 27. Dezember 1976 geborene Kläger arbeitete aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 27. April 2011 (vgl. Akten 1. Instanz Bl. 4 bis 10; I/4-10) seit dem 1. Juli 2011 bei der Beklagten, die einen Verlag und eine Druckerei betreibt, als Drucker zu einer Vergütung von EUR 19,47 brutto pro Stunde bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden. Im schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien ist eine Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zum 30. Juni 2012 vereinbart, mit der Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses, wobei nach einer Probezeit von sechs Monaten die gesetzlichen Kündigungsfristen gelten sollen. Der Kläger hatte zuvor in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bei einer in Insolvenz befindlichen Druckerei gestanden, wo er ausweislich einer elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2011 (vgl. I/77) in den letzten Monaten keine Vergütung mehr erhielt. Mit einem Nachtrag vom 27. März 2012 zum schriftlichen Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien eine Verlängerung der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses bis zum 31. Mai 2013.
Die Beklagte befand sich im Jahr 2012 in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage und beschloss auf einer Gesellschafterversammlung am 1. Oktober 2012, den Betriebsteil Tiefdruck, in dem der Kläger arbeitete, mit der dazugehörenden Verwaltung und die "Service & PrintFactory" zum 30. April 2013 stillzulegen, wovon 96 Arbeitsplätze betroffen waren. Die Redaktion sowie die erforderliche Verwaltung im Bereich K. sollte mit 21 Mitarbeitern fortgeführt werden.
In diesem Zusammenhang schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat am 14. Dezember 2012 eine "Betriebsvereinbarung Teilbetriebs...