Entscheidungsstichwort (Thema)

Anpassung der Dienstverträge privat liquidierender Chefärzte nach Aufnahme eines Krankenhauses in den Landeskrankenhausplan. Zulässigkeit der einer Änderungskündigung mit höherer Abführungspflicht an den Mitarbeiterpool

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird ein Krankenhaus nachträglich in den Landeskrankenhausplan aufgenommen, so sind in entsprechender Anwendung des § 53 Abs. 1 S. 3 LKHG-BW zuvor abgeschlossene Dienstverträge von privat liquidierenden Chefärzten anzupassen.

2. Die Anpassung kann nur im Rahmen der "vertraglichen Möglichkeiten" erfolgen. Ob dies den Ausspruch einer Änderungskündigung ausschließt, bleibt offen.

3. Wird eine Änderungskündigung ausgesprochen, unterliegt sie der Verhältnismäßigkeitskontrolle.

4. Es ist jedenfalls unverhältnismäßig, einen Chefarzt, der nach Vertrag 10 Prozent seines Liquidationserlöses in den Mitarbeiterpool abführen musste, mittels Änderungskündigung eine Abführungspflicht von 40 Prozent der Erlöse aufzuerlegen, ohne ihm eine Kompensation anzubieten, obwohl der Krankenhausträger durch die Aufnahme in den Krankenhausplan in den Genuss von Fördermittel gelangt.

5. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Dienstvertrag mit dem Chefarzt die Möglichkeit einer Beteiligung des Krankenhausträgers an den Zuführungen zum Mitarbeiterpool ausdrücklich vorsieht, hiervon aber bisher kein Gebrauch gemacht wurde.

 

Normenkette

LKHG-BW § 53 Abs. 1 S. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 28.02.2012; Aktenzeichen 5 Ca 141/11)

 

Tenor

  • 1.

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg - Kn. Offenburg - vom 28.02.2012, Az. 5 Ca 141/11 wird zurückgewiesen.

  • 2.

    Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

  • 3.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist zweitinstanzlich noch eine von der ursprünglich Erstbeklagten ausgesprochene Änderungskündigung.

Der Kläger, Ende 1952 geboren und mit einer Oberärztin verheiratet, die gleichfalls in Prozessrechtsverhältnissen mit der Beklagten wegen mehrerer von dieser ausgesprochenen Kündigungen steht, trat mit Wirkung ab 01.06.1994 in ein Arbeitsverhältnis mit der K.-Klinik AG, der erstinstanzlich noch mitverklagten Beklagten zu 2, als ärztlicher Direktor und leitender Chefarzt des Deutschen Herzzentrums B. in L.. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der Dienstvertrag vom 01.02.1994 (Bl. 27 - 41 der erstinstanzl. Akte) und blieb dies auch, nachdem das Arbeitsverhältnis im Jahre 1999 auf die vormalige Beklagte Ziffer 1 und jetzige Beklagte gemäß § 613 a BGB überging. In § 10 des Dienstvertrags fand sich auszugsweise folgende Regelung:

"§ 10 Nutzungsentgelt (Kostenerstattung und Vorteilsausgleich im dienstlichen Aufgabenbereit) (...)

(4) Für die Einräumung des Liquidationsrechts leistet der ärztliche Direktor und leitende Chefarzt dem Krankenhausträger keinen Vorteilsausgleich. An Stelle eines Vorteilsausgleichs stellt der ärztliche Direktor und leitende Chefarzt 10 % seiner in (3) bezifferten Bruttohonorareinnahmen in einen Mitarbeiterpool ein. Der Anteil des Krankenhausträgers an Zuführungen in den Mitarbeiterpool ist in dessen Ermessen gestellt.

Der hier in Rede stehende Mitarbeiterpool bezieht sich auf die nachgeordneten ärztlichen Mitarbeiter des ärztlichen Direktors und der Abteilung des leitenden Chefarztes. Die Führung des Mitarbeiterpools oblieget dem ärztlichen Direktor und leitenden Chefarzt; die Zuwendungsmodalitäten werden im Benehmen mit dem Krankenhausträger festgelegt."

Die Beklagte war zunächst Vertragskrankenhaus im Sinne des § 108 Nr. 3 SGB V. Mit Änderungsfeststellungsbescheid vom 18.05.2009 (Bl. 119 - 120 der erstinstanzl. Akte) nahm das Regierungspräsidium F. das von der Beklagten getragene Krankenhaus in den Krankenhausplan Baden-Württemberg auf, nachdem die Beklagte erklärt hatte, KHG-Fördermittel für Investitionen erst nach Aufnahme in den Krankenhausplan ab 01.01.2009 in Anspruch zu nehmen. Mit der Aufnahme in den Krankenhausplan Baden-Württemberg und der öffentlichen Förderung nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz galt für die Klinik der Beklagten nach § 2 Abs. 1 LKHG das Landeskrankenhausgesetz Baden-Württemberg. Dort finden sich folgende, für den vorliegenden Rechtsstreit interessierende Regelungen:

§ 34 Abs. 1 LKHG

Werden im stationären Bereich von leitenden Krankenhausärzten wahlärztliche Leistungen gesondert berechnet, so sind die anderen Krankhausärzte (ärztliche Mitarbeiter) an den hieraus erzielten Einkünften (Liquidationserlös) angemessen zu beteiligen.

§ 35 Abs. 2 LKHG

Von dem nach Abzug des Nutzungsentgelts und der Aufwendungen verbleibenden Betrag (Nettoliquidationserlös) ist ein Anteil abzuführen, der nach der Höhe dieses Betrags zu stufen ist und 40 vom 100 nicht übersteigen darf.

§ 53 Abs. 1 LKHG

Die Erfüllung von Verträgen, die vor dem 1. Januar 1976 abgeschlossen worden sind, wird durch die § 34 bis 37 nicht berührt. Auf leitende Ärzte, die danach aus dem Liquidationserlös nichts abführen müssen und auf ihre ärztlichen Mitarb...

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