Entscheidungsstichwort (Thema)

Kinderzuschlag zur Sozialplanabfindung. Anspruch auf Zusatzbetrag zur Sozialabfindung bei Bezugnahme auf Kindereintrag in Lohnsteuerkarte

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Betriebsparteien können sich grundsätzlich bei der Berücksichtigung von kinderbezogenen Leistungen im Sozialplan auf die Eintragungen in der Lohnsteuerkarte beziehen.

2. Vereinfachungs- und Nachweisbarkeitsgründe rechtfertigen die Ungleichbehandlung von Mitarbeitern, deren Kinder nicht in der Lohnsteuerkarte eingetragen sind gegenüber solchen, deren Kinderzahl sich der Lohnsteuerkarte zum vereinbarten Stichtag entnehmen lässt.

3. Die genannten Gründe rechtfertigen es dagegen nicht, für ein Kind, das mit 0,5 Kinderfreibeträgen in den Lohnunterlagen ausgewiesen ist, einen vollen Kinderzuschlag zu gewähren, zwei Kindern, die mit je 0,5 Freibeträgen, insgesamt also mit 1,0 Freibeträgen eingetragen sind, ebenfalls nur insgesamt einen Kinderzuschlag zuzusprechen, bzw. eines der beiden Kinder gänzlich unberücksichtigt zu lassen.

4. Dies gilt insbesondere, nachdem das Lohnsteuerkartensystem durch "ELSTAM" abgelöst ist, die Finanzbehörden die Lohnsteuerunterlagen unmittelbar verwalten und Nachfragen nach dorthin erleichtert und verbindlich möglich sind.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; BetrVG § 75 Abs. 1 S. 1, § 77 Abs. 4 S. 1, § 112 Abs. 1 S. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Lörrach (Entscheidung vom 18.07.2012; Aktenzeichen 3 Ca 94/12)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 18.07.2012 - 3 Ca 94/12 - abgeändert.

  • 2.

    Die Beklagte wird verurteilt, 4.000,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit 01.02.2012 an den Kläger zu zahlen.

  • 3.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  • 4.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Kinderzuschlag zur Sozialplanabfindung.

Der Kläger war bis 31.01.2012 bei der Beklagten beschäftigt. Zu diesem Zeitpunkt musste er das Arbeitsverhältnis wegen Betriebsschließung beenden.

Im Hinblick auf die Betriebsschließung war in der eingerichteten Einigungsstelle von den Betriebsparteien am 14.01.2012 ein Sozialplan unterzeichnet worden, in dem sich Abfindungsregelungen finden. Dort heißt es unter anderem:

V. Abfindungsregelungen

1. Abfindungsformel für Mitarbeiter im nichtrentennahen Lebensalter.

b) Die weiteren Festbeträge berechnen sich wie folgt:

(1) Für jedes zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Sozialplans auf der Lohnsteuerkarte eingetragene unterhaltspflichtige Kind wird ein Zusatzbetrag in Höhe von

EUR 4.000,00 brutto gezahlt.

Der Kläger lebt getrennt und ist seinen beiden minderjährigen Kindern unterhaltsverpflichtet. In der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2012, die der Beklagten vorlag, waren für den Kläger die Lohnsteuerklasse II und die Zahl der Kinderfreibeträge mit 1,0 eingetragen.

Die Beklagte hat dem Kläger neben der Basisabfindung den Kinderzuschlag für ein Kind bezahlt. Hierbei verhielt sie sich wie in allen anderen Fällen dergestalt, dass sie die Anzahl der Kinderzuschläge von den Einträgen der Kinderfreibeträge in den amtlichen Lohnsteuerunterlagen abhängig machte und bei geraden Zahlen in genau dieser Höhe Zuschläge bezahlte, bei ungeraden Zahlen aber aufrundete.

Der Kläger hat Zahlung des Kinderzuschlags auch für sein zweites Kind verlangt und beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, EUR 4.000,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2012 an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte hat

Klagabweisung

beantragt.

Sie hat die im Sozialplan geregelte Bestimmung, wonach von den Eintragungen in den dem Arbeitgeber vorliegenden Lohnunterlagen auszugehen ist, für zulässig gehalten, auch einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz hat sie nicht gesehen, weil Praktikabilitätsüberlegungen dem gegenübergestanden hätten. Bei den Verhandlungen über den Sozialplan habe man letztlich in Kauf genommen, dass es möglicherweise zu gewissen Ungerechtigkeiten kommen könne, weil das ausgehandelte Finanzvolumen gedeckelt gewesen sei und bei der Verteilungsdiskussion kein anderes als das vorhandene Datenmaterial zur Verfügung gestanden habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zwar führe die Wortlautauslegung des V. 1. b. (1) des Sozialplans zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis, weil die Eintragung von Kinderfreibeträgen in den Lohnsteuerunterlagen nicht sicher erkennen lasse, wie vielen Kindern der Anspruchsberechtigte unterhaltsverpflichtet ist, der Gesamtzusammenhang und die Entstehungsgeschichte der Sozialplanregelung spreche aber dafür, dass es den Betriebspartnern darum gegangen sei, eine schnelle und einfach anwendbare Regelung zu schaffen, mit der die Deckelung des ausgehandelten Sozialplanvolumens nicht gefährdet werde. Dies ergebe sich zum einen aus der Stichtagsregelung "zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Sozialplans" und zum anderen daraus, dass auf im Betrieb bekannte Daten zur Berechnung des Kinderz...

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