Entscheidungsstichwort (Thema)

Umwandlung. Kollektivrechtliche Fortgeltung von Firmentarifverträgen. Bezugnahme auf Tarifvertrag. Allgemeine Geschäftsbedingungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Firmentarifvertrag gilt auch bei Umwandlung durch Ausgliederung auf einen bestehenden Rechtsträger kollektiv-rechtlich fort, wenn der aufnehmende Rechtsträger keine Arbeitnehmer beschäftigt.

2. Eine große dynamische Bezugnahmeklausel (Tarifwechselklausel) ist AGB-rechtlich wirksam.

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 1 S. 2; UmwG § 123 Abs. 3; TVG § 4 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 27.04.2010; Aktenzeichen 15 Ca 10680/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.11.2012; Aktenzeichen 4 AZR 85/11)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 27.04.2010 – Az. 15 Ca 10680/09 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche, die davon abhängen, welche Tarifverträge nach mehrfachen Betriebsübergängen und Umwandlungen auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden.

Der Kläger, der seit 0000 Mitglied der Deutschen Postgewerkschaft (DPG) war, trat mit Arbeitsvertrag vom 00.00.0000 in die Dienste der Deutschen Bundespost. Bei deren Rechtsnachfolgerin, der Deutschen Telekom AG, wechselte er 0000 vom Außendienst im Bereich Fernmeldetechnik in den Bereich Auslandsauskunft des Innendienstes. Den Bereich T., in dem der Kläger beschäftigt war, übertrug die Deutsche Telekom AG mit Wirkung ab 00.00.0000 auf ihre 100 %-ige Tochter, die V. C. S. GmbH & Co. KG (künftig V. GmbH & Co. KG), mit der der Kläger am 00.00.0000 den Arbeitsvertrag Bl. 8-11 der erstinstanzlichen Akte schloss. § 2 des Arbeitsvertrages bestimmt auszugsweise:

§ 2 Änderungen durch tarifliche Regelungen

I. Zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft tretende Regelungen zur Arbeits- und Entgeltbedingungen für die V. ersetzen die Regelungen dieses Arbeitsvertrages mit unmittelbarer Wirkung für das Arbeitsverhältnis. …

II. …

III …

Aus der V. GmbH & Co. KG entstand 2005 im Wege der Umwandlung durch Formwechsel die tarifgebundene V. C. S. GmbH (künftig V. GmbH), mit der der Kläger erneut einen Arbeitsvertrag schloss (Bl. 12-14 der erstinstanzlichen Akte). Nach § 2 Abs. 1 dieses in einer Vielzahl von Fällen verwendeten Arbeitsvertrages wird der Kläger als Call Center-Agent in S. beschäftigt. Der Vertrag enthält auszugsweise folgende Bestimmungen:

§ 3 Anwendbarkeit von Tarifverträgen

Auf das Arbeitsverhältnis finden die für den Betrieb oder Betriebsteil, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist, betrieblich/fachlich jeweils einschlägigen Tarifverträge (Fußn.: Zurzeit sind dies die mit ver.di abgeschlossenen Tarifverträge) in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung, soweit sich nicht aus den nachfolgenden Regelungen etwas anderes ergibt.

§ 5 Entgelt

Der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers richtet sich nach den jeweils geltenden tariflichen Bestimmungen.

Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers ging am 01.05.2007 im Wege eines Betriebsübergangs von der V. GmbH auf die nichttarifgebundene a. s. S. GmbH (künftig a.) und am 01.01.2008 im Wege der Umwandlung durch Verschmelzung auf die Beklagte, die a. d. s. S. GmbH (künftig a.), beides Gesellschaften des B. Konzerns, über.

Die Unterrichtung des Klägers über den ersten Betriebsübergang auf die a. erfolgte mit Schreiben der V. GmbH vom 26.03.2007 (Bl. 17 der erstinstanzlichen Akte). Über den zweiten Betriebsübergang über die a. unterrichtete das Schreiben der a. vom 29.11.2007 (Bl. 20-24 der erstinstanzlichen Akte).

Rechtsvorgängerin der a. war die R. M. GmbH. Die R. M. GmbH gliederte im Mai 2001 den Betrieb S. in die M. M. S. S. GmbH (künftig M.) aus, die die B. AG als Firmenmantel ohne Beschäftigte vorhielt. Hierüber unterrichtete die M. die Mitarbeiter mit Schreiben vom Mai 2001 (Bl. 75 der zweitinstanzlichen Akte). Mit einem weiteren Schreiben vom 30.08.2002 (Bl. 76 und 77 der zweitinstanzlichen Akte) unterrichtete sie die Mitarbeiter über die bevorstehende Umfirmierung in die Beklagte. Die Beklagte ist ein Tochterunternehmen der A. AG, ebenfalls einem Unternehmen des B. Konzerns. Die R. M. GmbH schloss am 02.07.1998 mit der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (künftig HBV) und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (künftig DAG) den nicht näher bezeichneten Tarifvertrag (Bl. 89-92 der erstinstanzlichen Akte) mit Inhaltsnormen für Arbeitsverhältnisse. Der räumliche Geltungsbereich des Tarifvertrags erstreckt sich auf den Betrieb S. der R. M. GmbH. Die R. M. GmbH Betrieb M. S. S. schloss mit der HBV und der DAG am 15.12.1999 den Eingruppierungstarifvertrag (Bl. 93-96 der erstinstanzlichen Akte). Die Beklagte schrieb dem Kläger unter dem 14.01.2008 (Bl. 25 und 26 der erstinstanzlichen Akte):

„Sehr geehrter Herr H.,

mit der Verschmelzung der Betriebe a. s. S. GmbH mit der a. d. s. S. GmbH in K. gelten für Sie ab dem 01.01.2008 ausschließlich die Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Regelungen der a. d. s. S....

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