Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf Grund Verzögerungen bei der Beförderung der Post durch einen regionalen Postdienstleister

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Rechtsanwalt darf bei Beauftragung eines regionalen Postdienstleistungsunternehmens nicht ohne Weiteres darauf vertrauen, dass dessen Regelbeförderungszeit für eine überregional versendete Berufungsbegründungsschrift nur zwei Werktage beträgt.

 

Normenkette

ZPO § 520 Abs. 2, § 233

 

Verfahrensgang

ArbG Ulm (Entscheidung vom 20.05.2016; Aktenzeichen 6 Ca 393/14)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm, Kammern Ravensburg, vom 20.05.2016, Az. 6 Ca 393/14, wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsrechtsstreit noch über die Zahlung von 15.000,00 Euro Annahmeverzugsvergütung.

Der Kläger war für die Beklagte vom 01.03.2009 bis September 2014 als "Resident Engineer" in D./Ch. tätig, wo die Beklagte Schredder produzierte. Zwischen den Parteien wurde ein "Honorarvertrag" vom 30.10.2009 geschlossen, in welchem eine Monatsvergütung von 1.500,00 Euro neben einer Umsatztantieme und Reisekosten- sowie Aufwendungserstattung vereinbart waren. Der Vertrag wurde von den Parteien nicht unterzeichnet. Das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien stellte nach einer entsprechenden Rechtswegentscheidung durch das Landesarbeitsgericht (6 Ta 22/15) ein Arbeitsverhältnis dar.

Der Kläger wandte sich vor dem Arbeitsgericht gegen eine per E-Mail ausgesprochene Kündigung/Freistellungserklärung vom 28.07.2014 und machte den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis 30.04.2016 geltend. Weiter machte der Kläger vor dem Arbeitsgericht Vergütung und Annahmeverzugszahlungen in Höhe von 78.125,00 Euro brutto geltend.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 20.05.2016 - soweit für den Berufungsrechtsstreit relevant - die Beklagte verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum 16.09.2014 bis 30.04.2016 Annahmeverzugsvergütung in Höhe von 15.000,00 Euro zu bezahlen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die E-Mail vom 28.07.2014 nicht formwirksam beendet werden konnte. Die Beklagte sei hierdurch in Annahmeverzug geraten. Auch die (unstreitige) Weiterarbeit des Klägers im Anschluss an die E-Mail vom 28.07.2014 bis 15.09.2014 ändere hieran nichts. Eine einvernehmliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und damit die Aufhebung der Wirkung des Annahmeverzuges sei nicht anzunehmen, da die Parteien hierüber keine Vereinbarung getroffen hätten.

Das arbeitsgerichtliche Urteil vom 20.05.2016 wurde der Beklagten am 22.07.2016 zugestellt (ABl. 310 der arbeitsgerichtlichen Akte).

Mit ihrer am 22.08.2016 beim Landesarbeitsgericht eingelegten Berufung (ABl. 1) hat die Beklagte mitgeteilt, die Berufung nur hinsichtlich Ziff. 2 des Tenors des angefochtenen Urteils, soweit die Beklagte zur Zahlung an den Kläger in Höhe von 15.000,00 Euro brutto verurteilt wurde, einzulegen.

Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 22.08.2016 wurden die Parteien über den Eingang der Berufungsschrift und das geführte Aktenzeichen in Kenntnis gesetzt sowie auf die Berufungsbegründungsfrist des § 66 Abs. 1 ArbGG hingewiesen (ABl. 4).

Mit ihrer am 23.09.2016 (ABl. 8) beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufungsbegründung wendet sich die Beklagte gegen die Verurteilung zur Zahlung von 15.000,00 Euro durch das Arbeitsgericht. Die Beklagte vertritt in der Berufungsbegründung die Auffassung, aufgrund der Weiterarbeit des Klägers im Anschluss an die E-Mail vom 28.07.2014 habe kein Annahmeverzug vorgelegen. Da der Kläger durch die Beklagte für die bis Mitte September 2014 geleisteten Tätigkeiten auch vergütet worden sei, habe die im September 2014 erfolgte einseitige Arbeitseinstellung durch den Kläger nicht dazu geführt, dass die Beklagte in Annahmeverzug geraten sei.

Mit Verfügung vom 31.10.2016 (ABl. 23) wurde die Beklagte darauf hingewiesen, dass ihre Berufung unzulässig sein dürfte, da sie einen Tag nach Fristablauf beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist.

Mit Antrag vom 14.11.2016, beim Landesarbeitsgericht am selben Tag per Telefax eingegangen (ABl. 27) beantragt die Beklagte, ihr Wiedereinsetzung in die am 22.09.2016 abgelaufene Berufungsbegründungsfrist zu bewilligen.

Die Beklagte legt unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen ihres Prozessbevollmächtigten und dessen Rechtsanwaltsfachangestellter dar, dass der Prozessbevollmächtigte von einem Postlauf von R. (Kanzleisitz des Prozessbevollmächtigten) nach S. von in der Regel einem Tag ausgegangen sei, wenn die Post bis spätestens 18.00 Uhr am Tag des Abgangs "beim Postamt" einginge. Aus Sicherheitsgründen sei der Brief mit der Berufungsbegründung bereits am 20.09.2016 dem Boten von "S." übergeben worden, damit ein Postlauf von zwei Tagen, nämlich bis zum 22.09.2016 eingehalten sei. Die Rechtsanwaltsfachangestellte Mayer habe...

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