Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung. Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für eine bestimmte Anzahl von Arbeitskräften, nachgewiesen durch die Berechnung erforderlicher Mann-Minuten
Leitsatz (redaktionell)
Die Entscheidung des Arbeitgebers, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, gehört zu den sog. unternehmerischen Maßnahmen, die zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs hinsichtlich der über den Bedarf hinausgehenden noch vorhandenen Arbeitskräfte führt.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2-5; BetrVG § 102 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 18.11.2005; Aktenzeichen 26 Ca 655/05) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart, Ka. Ludwigsburg vom 18. November 2005 – Az.: 26 Ca 655/05 abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen aus betriebsbedingten Gründen erklärten und am 14. März 2005 zugegangenen Kündigung zum 30. Juni 2005, welcher eine mit dem Betriebsrat abgesprochen Personalbedarfsplanung zugrunde liegt.
Der am 28. September 1956 geborene, verheiratete und gegenüber 4 Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger ist bei der Beklagten seit 01. Januar 1998 zu einem durchschnittlichen monatlichen Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 3.500,–EUR bzw. 3.371,64 EUR – wie die Beklagte behauptet, beschäftigt. Er war zuletzt als Systemanlagenbediener in der Wärmebehandlung/Härterei eingesetzt. Seine regelmäßig ausgeübten Tätigkeiten bestanden im Schweißen, Kugelstrahlen und der Einstellung und Bestückung von Hochöfen. Der Kläger verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung.
Die Beklagte stellt in ihrem Werk in L. Getriebe her und beschäftigte dort zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ca. 560 Mitarbeiter. In ihrem Unternehmen ist ein Gesamtbetriebsrat von den in den Beschäftigungsbetrieben amtierenden Betriebsräten gebildet worden.
Mit diesem Gesamtbetriebsrat schloss die Beklagte am 11. November 2004 ein Interessenausgleich zur Durchführung der Kapazitätsanpassung im Jahre 2005 (ABl. 40 ff.), einen Sozialplan (ABl. 59 ff.), eine Betriebsvereinbarung über Auswahlrichtlinien (ABl. 74 ff.), eine Betriebsvereinbarung zur Errichtung einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft sowie eine Betriebsvereinbarung über die Besetzung freier Stellen im Konzern ab. Der Interessenausgleich sieht für den Standort L. den Abbau von insgesamt 176 Arbeitsplätzen im Jahr 2005 vor.
Unter anderem wurde beschlossen, einen bestimmten Getriebetyp ab Juni 2005 nicht mehr am Standort L., sondern im Werk N. zu produzieren.
Den künftigen Personalbedarf hat die Beklagte dadurch ermittelt, dass sie eine Stückzahlermittlung über das von ihr anhand der absehbaren Aufträge prognostizierte Auftragsvolumen vorgenommen hat. Sodann hat sie ermittelt, für welche Arbeitsgänge bei welchem Getriebetyp wie viel Mann-Minuten benötigt werden. Diese beiden Faktoren hat sie miteinander multipliziert und so anhand der benötigten Mann-Minuten den Personalbedarf ermittelt. Dieses Ergebnis wurde sodann korrigiert durch Korrekturfaktoren für nicht durchgehende Maschinen- und Anlagennutzungsdauer, Drei-Schicht-Pausenverluste, unproduktive Zeiten, krankheitsbedingte Fehlzeiten und urlaubsbedingte Fehlzeiten. Der so ermittelte Arbeitskräftebedarf wurde anschließend nochmals korrigiert um Faktoren für prognostizierte Besonderheiten z. B. Produktanlauf und Prototypenfertigung) unter Berücksichtigung eines sogenannten Rationalisierungsfaktors „Ratio 2”.
Schließlich wurde das Ergebnis nochmals korrigiert wegen der Verminderung des Personalbedarfs nach Wegfall des Getriebetyps DC NCC 453, sowie wegen des beschlossenen Wechsels vom Leistungs- in den Zeitlohn und des dadurch bedingten Wegfalls der „Steinkühlerpause”. Zudem wurde ein weiterer Rationalisierungsfaktor „Ratio 80” zugrunde gelegt mit einem weiteren Rationalisierungspotential von 1,15 %. Insgesamt ermittelte die Beklagte nach ihrer Berechnung einen Arbeitskräftebedarf in der (gesamten) Härterei von letztlich 39,41 Arbeitskräften. Hierbei handelt es sich um eine Jahresdurchschnittsberechnung. Aus der Anlage 1 zum Interessenausgleich ergibt sich, dass der Personalabbau nicht auf den ermittelten Arbeitskräftebedarf umgesetzt wurde, sondern im Jahresmittel ein Arbeitskräftebedarf von noch 45,75 Mitarbeitern zugrunde gelegt wurde.
In der monatsweisen Berechnung für den Monat Dezember 2005 wurde noch ein Arbeitskräftebedarf von 38 Mitarbeitern zugrunde gelegt. Nach den Berechnungen der Beklagten führten diese zum einem sukzessiven Wegfall von 25 Arbeitsplätzen bis zum Jahre 2005. Seit Abschluss des Interessenausgleichs bis zum 31. Dezember 2005 schieden oder scheiden aus dem Bereich der Härterei vier Mitarbeiter wegen Eintritts in die Freistellungsphase in der Altersteilzeit sowie fünf Arbeitnehmer wegen Renteneintritts aus. Das hat zur Folge, dass 16 betriebsbedingte Kündigung zu...