Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinstellung und Schadensersatz nach rechtskräftiger Verdachtskündigung. Unbegründete Arbeitnehmerklage bei fehlendem Wiederherstellungsinteresse nach strafrechtlich erwiesener Unschuld und unzureichenden Darlegungen zum eingetretenen Schaden
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Wiedereinstellungsanspruch nach einer arbeitsgerichtlich für zulässig erachteten Verdachtskündigung ist nicht schon deshalb begründet, weil das Strafgericht den Arbeitnehmer im nachfolgenden Strafprozess wegen erwiesener Unschuld freigesprochen hat. Ein berechtigtes Rehabilitierungsinteresse des Arbeitnehmers besteht nur dann, wenn dem strafgerichtlichen Urteil Tatsachen zu Grunde liegen, die im vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren noch nicht bekannt waren.
2. Wirtschaftliche Nachteile oder immaterielle Beeinträchtigungen, die der Arbeitnehmer in Folge einer rechtmäßigen (Verdachts)Kündigung erleidet, stellen keinen ersatzfähigen Schaden dar.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1; BGB § 241 Abs. 2, § 253 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 611 Abs. 1, § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Karlsruhe (Entscheidung vom 25.11.2014; Aktenzeichen 5 Ca 148/14) |
Nachgehend
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 25.11.2014 (5 Ca 148/14) wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger macht gegenüber der Beklagten, Rechtsnachfolgerin der Forschungszentrum Karlsruhe GmbH, folgende Ansprüche geltend:
- Wiedereinstellung zu den Bedingungen des Altersteilzeitvertrags vom 25.11.2002 für den Zeitraum 13.12.2013 bis 31.05.2014
hilfsweise:
- unbefristete Wiedereinstellung zu den Altersteilzeitbedingungen
- Vergütung für den Zeitraum 01.05.2011 bis 12.12.2013: 110.637,99 Euro brutto minus 30.719,62 Euro netto
- ein nicht beziffertes Schmerzensgeld (erstinstanzlich angeregt: 5.000,-- Euro)
- Ersatz für Heilbehandlungskosten: 2.443,40 Euro
- Ersatz für Arzneimittelkosten: 662,01 Euro
- Ersatz für Anwaltskosten: 5.368,33 Euro
- Ersatz eigene Aufwendungen: 472,50 Euro.
Der Kläger wurde am 07.05.1949 geboren. Er ist Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Architektur. Sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin bestand vom 01.08.1978 bis zum 29.04.2011. Gem. § 2 des Arbeitsvertrags vom 29.06.1978 richtete sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag und den ihn ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträgen. Am 25.11.2002 schlossen der Kläger und die Forschungszentrum Karlsruhe GmbH eine Altersteilzeitvereinbarung ab. Danach erstreckten sich
- die Arbeitsphase vom 01.06.2009 bis 30.11.2011 und
- die Freistellungsphase vom 01.12.2011 bis 31.05.2014.
Seit 1999 leitete der Kläger die Abteilung Kaufmännische Projektabwicklung/Aufträge im Bereich "Rückbau Reaktoren". Ab 2005 war er Leiter der Hauptabteilung Projekte. Zusammen mit einer weiteren zeichnungsberechtigten Person hatte der Kläger Unterschriftsvollmacht bei Auftragsvergaben bis 500.000,-- Euro. Bei Auftragsvolumina von mehr als 5 Mio. Euro nahm er an den Vertragsverhandlungen teil bzw. überwachte diese für das Forschungszentrum.
Ein Auftragnehmer des Forschungszentrums war F. ein ausgebildeter Maschinenbautechniker, der ursprünglich Arbeitnehmer der Rechtsvorgängerin der Beklagten war, sich dann selbstständig machte und zusammen mit einem Partner eine Firmengruppe aufbaute. Die Firmengruppe war vorwiegend im Nuklearbereich tätig. Das Forschungszentrum Karlsruhe war ein Großkunde der Firmengruppe. 2003/2004 verkaufte F. seine Unternehmen an eine Gesellschaft des S-Konzerns, der ebenfalls im Nuklearbereich tätig ist und sich u.a. mit dem Rückbau von Reaktoren befasst. Bis Mai 2004 war F. Mitgeschäftsführer der deutschen S-Gesellschaft. Danach war er für sie übergeordnet und beratend tätig. In diesem Zusammenhang war er auch mit der Abwicklung restlicher Aufträge befasst, die die verkaufte Gesellschaft IFM für das Forschungszentrum erledigte. Der Anteil der F-Unternehmen IFM und ICF sowie von Unternehmen des S-Konzerns an den Fremdaufträgen des Forschungszentrums entwickelte sich von 2000 bis 2008 wie folgt:
- 2000: 14 %
- 2001: 83 %
- 2002: 43 %
- 2003: 90 %
- 2004: 49 %
- 2005: 23 %
- 2006: 84 %
- 2007: 93 %
- 2008: 91 %.
F. arbeitete als Auftragnehmer des Forschungszentrums regelmäßig mit dem Kläger zusammen. Sie hatten auch privat Kontakt.
In den Jahren 2004, 2007 und 2008 erhielt der Kläger von F. insgesamt 80.000,-- Euro, die er einschließlich Zinsen im Jahr 2008 zurückzahlte. F. verfügte bereits seit Jahren über ein den deutschen Steuerbehörden nicht bekanntes Konto bei der Volksbank T, das in deren Filiale in Reutte geführt wurde. Der Kläger richtete dort 2004 ebenfalls ein Konto ein. Am 16.07.2004 suchten F. und der Kläger die Filiale der Volksbank in Reutte auf. F. hob 40.000,-- Euro von seinem Konto ab und übergab dem Kläger das Geld. Dieser zahlte es auf seinem Konto ein. Ende Dezember 2007 und Anfang Februar 2008 überwies...