Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
Die Umgestaltung eines Fachbetriebs mit beratenden Fachverkäufern in eine reine Abverkaufsstelle rechtfertigt eine betriebsbedingte Kündigung, soweit der Beschäftigungsbedarf für den gekündigten Arbeitnehmer entfallen ist und der Umgestaltung ein unternehmerisches Konzept zu Grunde lag, das bei Kündigungsausspruch bereits greifbare Formen angenommen hat. Dies ist der Fall, wenn das unternehmerische Konzept gerade darin besteht, dass die noch im Markt beschäftigten Mitarbeiter neben ihren sonstigen Tätigkeiten bei Bedarf eine Kundenberatung durchführen und keine speziellen Beratungsbereiche mehr abdecken.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1, Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Urteil vom 27.10.2003; Aktenzeichen 10 Ca 311/03) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim/HD vom 27.10.2003 – 10 Ca 311/03 – abgeändert:
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 19.04.2003 zum 30.09.2003 nicht beendet wurde und bis zum 31.12.2003 fortbestanden hat.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten mit Schreiben vom 19.04.2003 ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung zum 30.09.2003.
Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen, welches bundesweit Handel mit Unterhaltungselektronik, sog. weißer Ware, Computern sowie Artikeln der Tele- und Bürokommunikation, Foto udgl. betreibt und zu diesem Zweck mehr als 90 Verkaufsfilialen errichtet hat.
Der Kläger, geboren am 03.07.1953, war seit dem 01.05.1988 nach näherer Maßgabe eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 05.12.1988 (vgl. Vor.A. Bl. 56 ff.) bei der Beklagten – bzw. ihrer Rechtsvorgängerin – in der Filiale D.H.C. (H.) beschäftigt. Als Computerfachverkäufer (laut schriftlichem Arbeitsvertrag vom 05.12.1988 Abteilungsleiter Computer) bezog der Kläger zuletzt ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von ca. Euro 2.700,00.
Bei der Beklagten sind Regionalbetriebsräte gebildet. Mit dem a. u. für die Filiale H.-DHC (D.H.C.) zuständigen Betriebsrat für die Region Süd und Süd-West schloß die Beklagte am 13.02.2003 eine Vereinbarung ab, die u. a. einen Interessenausgleich sowie personelle Auswahlrichtlinien zum Gegenstand hat (vgl. Vor.A. Bl. 11 ff.). Hiernach ist geregelt, dass sämtliche in einer Anlage aufgeführten Filialen, darunter auch die Beschäftigungsfiliale des Klägers, zu „reinen Abverkaufsstellen umgestaltet” werden sollten. Hierzu (vgl. B § 1 der Vereinbarung vom 13.02.2003) ist u. a. näher ausgeführt:
- ”Alle in der Anlage 1 aufgeführten Filialen werden zu reinen Abverkaufsstellen umgestaltet, und zwar voraussichtlich beginnend zu den dort jeweils genannten Zeitpunkten. Die Parteien sind sich dabei einig, dass eine Verschiebung der dort genannten Zeitpunkte von bis zu 4 Monaten keine wesentliche Abweichung darstellt. Angelieferte Ware wird zukünftig weitestgehend direkt vom Lkw oder aus dem Lager unausgepackt auf Paletten in den Markt gefahren. Kunden müssen sich die Ware überwiegend direkt von der Palette/aus den Regalen entnehmen und zur Kasse befördern. Es findet nur noch eine eingeschränkte Kundenberatung/Serviceleistung in den einzelnen Filialen statt. Zur Durchführung dieser Maßnahme wird das bisherige Warensortiment an die neuen Verhältnisse angepasst.
- Aufgrund dieser Umgestaltung wird in einer durchschnittlichen Filiale nur noch ein Marktleiter sowie 9 Mitarbeiter beschäftigt. Allen diesen Mitarbeitern obliegt … die Kassentätigkeiten, die Pflege und das Nachfüllen der Waren, die Annahme von Kundengeräten … sowie Lagertätigkeiten. Zusammen mit dem Marktleiter sind diese 9 Mitarbeiter notwendig, um das Funktionieren der Abverkaufsstelle innerhalb der täglichen Öffnungszeit zu gewährleisten. Diese Tätigkeit ist im Verhältnis zu den bisherigen im Betrieb bestehenden Arbeitsplätzen neu. … Alle Arbeitnehmer – mit Ausnahme des Marktleiters – werden deshalb gekündigt. 9 Arbeitnehmer erhalten nach den nachstehenden Regelungen keine Beendigungskündigung, sondern eine Änderungskündigung…
C.) Auswahlrichtlinie
§ 1 Auswahlkriterien
1.
Die Auswahlrichtlinie ist nur für die Auswahl der Mitarbeiter anzuwenden, denen im Zuge der Umgestaltung einer Filiale zur reinen Abverkaufsstelle die in diesem Zusammenhang zu bildende Stellen angeboten werden.
2.
Vergleichbar sind dabei alle bislang in der Filiale tätigen Arbeitnehmer, …
3.
Die Parteien vereinbaren, dass die Auswahl der neu zu besetzenden Arbeitsplätze nach den folgenden Maßgaben erfolgt: …”
Der Kläger, dem das Kündigungsschreiben am 28.04.2003 vom Marktleiter übergeben wurde, gehörte nach den Auswahlrichtlinien der Vereinbarung vom 13.02.2003 nicht zu demjenigen Personenkreis, demgegenüber lediglich die Änderungskündigung in Betracht kam. Deshalb wurde dem Kläger gekündigt mit dem Ziel eines Personalbesta...