Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame Arbeitnehmerüberlassung in Klinikverbund. Feststellungsklage zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum entleihenden Unternehmen bei nicht vorübergehender Überlassung
Leitsatz (amtlich)
1. Wirksame Arbeitnehmerüberlassung setzt voraus, dass diese vorübergehend erfolgen soll (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG).
2. Dies ist regelmäßig nicht anzunehmen, wenn ein Entleiher Stellenausschreibungen für unbefristete Arbeitsverhältnisse schaltet, auch wenn er erwähnt, dass die Einstellung durch die verleihenden Personaldienstleister erfolgen soll.
3. Rechtsfolge unzulässiger Arbeitnehmerüberlassung ist auch im Falle nicht vorübergehender Überlassung die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG analog).
Normenkette
AÜG § 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, § 10 Abs. 1 S. 1; ZPO § 256 Abs. 1; EG-RL 104/2008 Art. 5 Abs. 5 Fassung: 2008-11-19
Verfahrensgang
ArbG Lörrach (Entscheidung vom 24.04.2012; Aktenzeichen 2 Ca 384/11) |
Nachgehend
Tenor
1.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 24.04.2012 - Az. 2 Ca 384/11 - abgeändert.
2.
Es wird festgestellt, dass zwischen dem Berufungskläger und der Berufungsbeklagten zu 1 ein Arbeitsverhältnis mit einer Beschäftigung des Klägers als IT-Sachbearbeiter besteht.
3.
Die Berufungsbeklagte zu 1 wird verurteilt, an den Kläger für November 2011 die Differenzvergütung i. H. von 192,46 € brutto zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.12.2011.
4.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
5.
Der Kläger trägt 1/4, die Beklagte 3/4 der Kosten des Verfahrens.
6.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der als Leiharbeiter von der Zweitbeklagten eingestellte und bei der Erstbeklagten eingesetzte Kläger im Arbeitsverhältnis zur Erstbeklagten steht und wie er zu vergüten ist.
Die Erstbeklagte betreibt mehrere Krankenhäuser im Landkreis L., die Zweitbeklagte als 100%-ige Tochter der Erstbeklagten unterhält Arbeitsverhältnisse mit knapp 450 Mitarbeitern von denen etwa 10 % als Stammbelegschaft in der Gebäudereinigung eingesetzt sind, alle anderen aber auf der Grundlage von Arbeitnehmerüberlassungsverträgen in den drei Kliniken der Erstbeklagten sowie in drei Heimen in Trägerschaft des Landkreises L., der wiederum alleiniger Gesellschafter der Erstbeklagten ist. Der Geschäftsführer der Zweitbeklagten ist zugleich Geschäftsbereichsleiter Personal und Finanzen der Beklagten zu 1 und deren Prokurist. Die Zweitbeklagte verfügt über eine Erlaubnis gemäß § 1 AÜG.
Der Kläger wurde mit Arbeitsvertrag vom 25.02.2008 von der Zweitbeklagten eingestellt und ausschließlich in Einrichtungen der Erstbeklagten eingesetzt. In § 1 (1) des Arbeitsvertrags heißt es insoweit
"Der Arbeitgeber überlässt als Personaldienstleistungsunternehmen seinen Kundenbetrieben Beschäftigte im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung. ...
§ 1 (2) lautet:
Die Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien bestimmen sich nach den zwischen dem Arbeitgeberverband IGZ und den DGB Gewerkschaften geschlossenen Tarifverträge für die Zeitarbeitsbranche, ...
In § 2 (1) heißt es:
Der Mitarbeiter wird entsprechend der Tätigkeit im Einsatzbetrieb eingestellt als IT-Sachbearbeiter.
§ 3 (1a) liest sich folgendermaßen:
Die tariflich mindestens garantierte individuelle wöchentliche Arbeitszeit des Mitarbeiters beträgt 35 Stunden. Gemäß § 3.1.3 des Manteltarifvertrages wird die Arbeitszeit an die des Entleihers angepasst.
und § 3 (1 b) wie nachstehend):
Die tatsächliche Arbeitszeit beim Entleiher (Kliniken des Landkreises L. GmbH) oder Eigenbetrieb Heime des Landkreises L.) beträgt als individuelle wöchentliche Arbeitszeit 39 Stunden.
Der ursprünglich bis 30.09.2008 befristete Arbeitsvertrag wurde am 21.11.2008 bis 31.10.2009 verlängert und am 09.11.2009 in einen unbefristeten Arbeitsvertrag umgewandelt. Seit 15.09.2010 ist der Kläger ordentliches Betriebsratsmitglied, seit März 2011 sein Vorsitzender, aufgrund Beschlusses vom 15.12.2011 ist er mit 40 % der Arbeitszeit freigestellt.
Der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen der Beklagten zu 1 und der Beklagten zu 2 bezüglich des Klägers lief zum 31.08.2012 aus. Die Anfrage der Zweitbeklagten an die Erstbeklagte bezüglich einer Verlängerung beantwortete Letztere am 02.08.2012 ablehnend. Unter dem 06.09.2011 richtete die Zweitbeklagte darauf hin ein Schreiben nachstehenden Inhalts an den Kläger:
"Kündigung des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages
Sehr geehrter Herr H.,
am 02.08.2011 habe ich Sie darüber informiert, dass die Kliniken des Landkreises L. GmbH den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag (Gestellung Ihrer Person) unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist auf den 31.10.2011 gekündigt haben. Die Kündigung betrifft die Teilzeitstelle als IT-Sachbearbeiter.
Wie Ihnen bekannt ist und auch besprochen wurde, hat die Fa. D. außer dem Bereich Gebäudereinigung selbst keine Stammbelegschaft, für die Mit...