Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegfall der Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats für Interessenausgleichsverhandlungen bei Insolvenzeröffnung unter Anordnung der Eigenverwaltung mit Sachwalterbestellung. Unbegründete Klage auf Nachteilsausgleichs und Schadensersatz wegen unterlassener Interessenausgleichsverhandlungen
Leitsatz (amtlich)
Die Zuständigkeit eines Konzernbetriebsrats der Interessenausgleichsverhandlungen endet auch dann spätestens mit der Insolvenzeröffnung, wenn eine geplante Betriebsänderung die Betriebe verschiedener Unternehmen betrifft. Dies gilt auch bei Eigenverwaltung mit Sachwalterbestellung.
Normenkette
BetrVG § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 58 Abs. 1, § 111 S. 1, § 113 Abs. 3; InsO § 276a
Verfahrensgang
ArbG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 21.11.2014; Aktenzeichen 10 Ca 256/13) |
Nachgehend
Tenor
- Auf die Berufung der Beklagten zu 1. wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg - Kammern Offenburg - vom 21.11.2014, Az. 10 Ca 256/13 abgeändert, soweit es der Klage stattgegeben hat. Die Klage gegen die Beklagte zu 1. wird insgesamt abgewiesen.
- Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Nachteilsausgleichsansprüche gem. § 113 Abs. 3 BetrVG und Schadensersatzansprüche gegen die Geschäftsführer der Beklagten zu 1.
Die Klagpartei war bei der Beklagten zu 1 zuletzt zu einem durchschnittlichen monatlichen Bruttogehalt von 4.500,00 € beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund Kündigung der Beklagten zu 1 vom 13.11.2013 zum Ablauf des 28.02.2014.
Die Beklagte zu 1 betrieb ein Unternehmen im Bereich von Call-Center-Dienstleistungen und beschäftigte zuletzt ca. 150 Mitarbeiter. Sie ist Teil der w. Gruppe und hundertprozentige Tochter der w. GmbH, diese wiederum der w. Holding GmbH, beide mit Sitz in E.. Die Beklagten zu 2 bis 6 waren im streiterheblichen Zeitraum die Geschäftsführer der Beklagten zu 1.
Neben der Beklagten zu 1 gibt es weitere Standort-(Tochter-)Gesellschaften. Bei der Beklagten zu 1 war ein Betriebsrat mit neun Mitgliedern gebildet. Außerdem bestand und besteht ein Konzernbetriebsrat.
Einzige Auftraggeberin der Beklagten zu 1 war die w. GmbH in E.. Für diese bearbeitete die Beklagte zu 1 zuletzt als Subunternehmerin Aufträge der Firmen P., S. und der T..
Die Beklagte zu 1 beantragte am 24.07.2013 beim Amtsgericht Karlsruhe - Insolvenzgericht - die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen unter Anordnung der Eigenverwaltung. Zeitgleich beantragten auch die Muttergesellschaften und weitere Standortgesellschaften die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.
Mit Schreiben vorn 10.09.2013 teilte die w. GmbH (E.) der Belegschaft der Beklagten zu 1 mit, man werde per 01.10.2013 planmäßig in die Insolvenz gehen und Ende September 2013 einen Restrukturierungsplan vorlegen.
Unter dem 16.09.2013 wurden Belegschaft und Betriebsrat der Beklagten zu 1 in Sch. darüber informiert, dass das dortige Callcenter zum 31.10.2013 geschlossen werden solle, da eine kostendeckende Fortführung des Betriebs nicht möglich sei. Der größte Teil des Auftragsvolumens werde an andere w. Standorte verlagert.
Ob bzw. wann und in welchem Umfang der örtliche Betriebsrat in diesem Zusammenhang über die genauen Umstände der beabsichtigten Betriebsstilllegung unterrichtet wurde, ist streitig. Eine Beteiligung des vorhandenen Konzernbetriebsrats erfolgte nicht.
Nachdem Aufträge des Kunden "P." bereits im Juni 2013 an die Standortgesellschaft in F. verlagert worden waren, kam es in der zweiten Septemberhälfte 2013 zu Gesprächen der Geschäftsführer der Beklagten zu 1 und der w. GmbH mit den Kunden S. und T.. Die S. erklärte am 23.09.2013, sie habe an einer Fortführung des Auftrags in Sch. kein Interesse. Darauf wurde eine Ausproduktion des Call-Volumens bis zum 31.10.2013 vereinbart. Die T., die Call-Volumen an verschiedenen Standorten der w. Gruppe wie auch bei der Beklagten zu 1 in Sch. bearbeiten ließ, hatte bereits im Juli 2013 angekündigt, den mit der w. GmbH (E.) bis zum 31.12.2013 befristeten Rahmendienstleistungsvertrag nicht zu den bisherigen Konditionen fortzusetzen. Sie teilte am 24.09.2013 mit, sie werde die Zusammenarbeit mit der w. Gruppe insgesamt nicht dauerhaft fortsetzen. Am 30.09.2013 gab sie bekannt, ab sofort kein Call-Volumen mehr nach Sch. zu leiten, was auch so geschah.
Mit Beschluss vom 01.10.2013 eröffnete das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Karlsruhe das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten zu 1 unter Anordnung der Eigenverwaltung und Bestellung eines Sachwalters. Etwa zeitgleich wurden auch Insolvenzverfahren über die Vermögen der w. GmbH in E. sowie weiterer Tochtergesellschaften eröffnet.
Unter dem 02.10.2013 zeigte der Sachwalter der Beklagten zu 1 dem Insolvenzgericht die drohende Masseunzulänglichkeit an.
Am gleichen Tag stellte die Eigenverwaltung zunächst 45 Mitarbeiter der Beklagt...