Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung der Entgeltfortzahlung nach Referenzprinzip. Urlaubs- und Krankheitstage im Referenzzeitraum sind keine Arbeitszeit
Leitsatz (amtlich)
1. Die Berechnung der Entgeltfortzahlung nach dem so genannten Referenzprinzip bedingt, dass Urlaubs- und Krankheitstage im Referenzzeitraum nicht als "Arbeitszeit" im Sinne von § 8 Nr. 1.2 METV zu berücksichtigen sind. Urlaubs- und Krankheitstage im Referenzzeitraum können insbesondere nicht mit einem pauschalen Wert von Arbeitsstunden pro Tag bewertet werden, sondern sind mit "null" zu zählen.
2. Soweit im Referenzzeitraum Urlaubs- und Krankheitstage liegen, kann dann aber auch nicht der in § 8 Nr. 1.2 METV aufgeführte Divisor von "182" angewendet werden. Der Divisor ist vielmehr im Umfang der Zahl der Urlaubs- und Krankheitstage im Referenzzeitraum zu verringern.
Normenkette
EFZG § 4
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Entscheidung vom 15.11.2012; Aktenzeichen 5 Ca 170/12) |
Nachgehend
Tenor
1.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim - Kammern Heidelberg - vom 15. November 2012 (Az.: 5 Ca 170/12) zu Nr. 1 des Tenors teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger EUR 249,69 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 7. Juni 2012 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage betreffend Nr. 1 des Tenors abgewiesen.
2.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim - Kammern Heidelberg - vom 15. November 2012 (Az.: 5 Ca 170/12) zu Nr. 1 des Tenors zurückgewiesen und zu Nr. 2 des Tenors als unzulässig verworfen.
3.
Hinsichtlich der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens bleibt es bei der Entscheidung des Arbeitsgerichts Mannheim - Kammern Heidelberg - (Az.: 5 Ca 170/12), wonach die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gegeneinander aufgehoben werden. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte 8/9 und der Kläger 1/9.
4.
Für die Parteien wird die Revision bezüglich Nr. 1 des Tenors (Berechnung der Entgeltfortzahlung nach § 8 METV) zugelassen. Im Übrigen (Verwerfung der Berufung als unzulässig) wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten - soweit für das Berufungsverfahren von Interesse - weitere Entgeltfortzahlung für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit vom 22. Februar bis 9. März 2012. Ferner begehrt er Differenzvergütung für Zeiten der Betriebsratstätigkeit am 1. und 7. Juni 2012.
Der am 14. Januar 1969 geborene Kläger arbeitet seit dem 1. Mai 2006 bei der Beklagten, einem Unternehmen des Wach- und Sicherheitsgewerbes, als Wachmann im Separatwachdienst zu einer Vergütung von EUR 11,19 brutto pro Stunde bis 29. Februar 2012 und EUR 11,44 brutto pro Stunde seit 1. März 2012 zuzüglich verschiedener Zuschläge. Es besteht kein schriftlicher Arbeitsvertrag der Parteien.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden im betreffenden Zeitraum der für allgemeinverbindlich erklärte Lohntarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Baden-Württemberg vom 2. Mai 2011 (künftig: LTV) sowie der für allgemeinverbindlich erklärte Mantelergänzungstarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer des Wach- und Sicherheitsgewerbes in Baden-Württemberg vom 9. Februar 2006 (künftig: METV) - abgeschlossen jeweils zwischen dem Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e.V. und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di - Anwendung. Ob auch der nicht für allgemeinverbindlich erklärte Mantelrahmentarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland vom 1. Dezember 2006 (MRTV) auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung findet, wird von den Parteien unterschiedlich beurteilt.
Der Kläger war vom 22. Februar bis 9. März 2012 arbeitsunfähig krank. Die Beklagte zahlte Entgeltfortzahlung an den Kläger für den Monat Februar 2012 in Höhe von EUR 514,74 brutto und für den März 2012 in Höhe von EUR 606,32 brutto. Die Beklagte ermittelte dabei zur Berechnung der Entgeltfortzahlung nach dem so genannten Referenzprinzip unter Bezugnahme auf § 8 METV die in den jeweils sechs dem Abrechnungsmonat vorausgehenden Monaten tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. § 8 METV hat folgenden Wortlaut:
"§ 8 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
1. Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgeltes im Krankheitsfalle regelt sich nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz mit folgenden Abweichungen zur Höhe des fort zu zahlenden Entgelts.
1.1. Die Höhe der Entgeltfortzahlung beträgt 100% des Stundengrundlohnes nach § 2 des jeweils gültigen Lohntarifvertrages einschließlich der Lohnzulagen nach den §§ 2 und 5 des jeweils gültigen Lohntarifvertrages einschließlich der außertariflichen Zulagen, der Mehrarbeitsstunden und der Mehrarbeitszuschläge.
1.2. Das fort zu zahlende Arbeitsentgelt der Arbeitnehmer berechnet sich nach der für den Arbeitnehmer durchschnittlichen Arbeitszeit der letzten 6 Monate auf der Basis von § 8 Abs. 1.1. geteil...