Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsrentenanpassung. reallohnbezogene Obergrenze. Anpassungsstichtag. Splittingverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Der Anspruch auf Prüfung und Entscheidung über eine Anpassung einer Betriebsrente erlischt i.d.R. nach Ablauf von drei Jahren ab dem Anpassungsstichtag.
Normenkette
BetrAVG § 16
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 07.10.2009; Aktenzeichen 22 Ca 666/09) |
Tenor
I. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 07.10.2009 – 22 Ca 666/09 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.424,40 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz per anno aus jeweils 271,22 EUR brutto seit dem 01. eines jeden Monats des Zeitraums 01.08.2008 bis 01.03.2010 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab dem 01.03.2010 eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 3.589,70 EUR brutto zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat die Beklagte zu 7/10 und der Kläger zu 3/10, die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu 3/4 und der Kläger zu 1/4 zu tragen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der Anpassung der Betriebsrente des Klägers.
Wegen des erstinstanzlichen unstreitigen und streitigen Vorbringens der Parteien einschließlich ihrer Rechtsansichten wird auf den nicht angegriffenen Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Bezug genommen.
Mit Urteil vom 07.10.2009 hat das Arbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung einer monatlichen Betriebsrente ab dem 01.10.2009 in Höhe von 3.588,86 EUR brutto sowie zu einer Nachzahlung für den Zeitraum Juli 2008 bis Februar 2010 in Höhe von insgesamt 4.055,70 EUR brutto nebst Zinsen unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt. Die Höhe der Anpassung der Betriebsrente ermittelte das Arbeitsgericht unter Zugrundelegung der Entwicklung des Lebenshaltungskostenindex für 4-Personen-Haushalte mit mittlerem Einkommen im Zeitraum 01.09.1993 bis 31.12.2002 sowie des Verbraucherpreisindex 2005 im Zeitraum 01.01.2003 bis 30.06.2008. Die von der Beklagten vorgenommene Anpassung unter Berücksichtigung der reallohnbezogenen Obergrenze für den letzten 3-Jahres-Zeitraum lehnte das Arbeitsgericht unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ab, weil der maßgebliche Prüfungszeitraum nach § 16 BetrAVG stets vom Rentenbeginn bis zum Anpassungsstichtag reiche. Die vom Kläger beanspruchte Nachzahlung von Rückständen für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 30.06.2008 wegen einer zu geringen Anpassung zum 01.07.2005 wies das Arbeitsgericht ab, da für eine vorsätzliche Täuschungshandlung der Beklagten kein hinreichender Vortrag des Klägers erfolgt sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts verwiesen.
Gegen das der Beklagten am 09.10.2009 zugestellte Urteil legte diese mit beim Landesarbeitsgericht am 06.11.2009 eingegangenem Schriftsatz Berufung ein und führte diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 11.01.2010 mit an diesem Tag eingegangenem Schriftsatz aus. Der Kläger legte im Rahmen der ihm gesetzten Frist zur Berufungserwiderung mit am 25.01.2010 eingegangenem Schriftsatz Anschlussberufung ein
Die Beklagte rügt eine fehlerhafte Rechtsanwendung des Arbeitsgerichts. Sie meint, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht von einem Prüfungszeitraum für die Anpassung der Betriebsrente seit Eintritt in den Ruhestand ausgegangen. § 16 Abs. 1 BetrAVG nenne einen Prüfungszeitraum von 3 Jahren. § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG nehme auf diesen 3-jährigen Prüfungszeitraum Bezug, so dass im vorliegenden Fall lediglich der 3-Jahreszeitraum seit der letzten Anpassungsprüfung zum 01.07.2005 erheblich sei. Falls der Prüfungszeitraum für jeden Arbeitnehmer individuell seit dem Rentenbeginn zu berechnen wäre, wäre es für den Arbeitgeber praktisch unmöglich, die Reallohnentwicklung für vergleichbare Arbeitnehmer zu ermitteln. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber eine Regelung habe schaffen wollen, deren praktische Umsetzung faktisch ausgeschlossen sei. Die Begrenzung auf den 3-jährigen Prüfungszeitraum ergebe sich auch aus § 16 Abs. 4 BetrAVG, nach der zu Recht unterbliebene Anpassungen nicht nachzuholen seien. Die Beklagte habe daher das Ruhegeld des Klägers zum 01.07.2008 in zutreffender Weise entsprechend der Reallohnentwicklung der Mitarbeiter im I. Konzern in D. in den Jahren 2004 bis 2007 um 1,57 % erhöht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart – 22 Ca 666/09 – abzuändern, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage auch insoweit abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Im Wege der Anschlussberufung beantragt der Kläger
das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 07.10.2009 ...