Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Urteil vom 20.07.1990; Aktenzeichen 2 Ca 207/90) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 20.7.1990 – Az.: 2 Ca 207/90 – abgeändert:
Die Klage wird in vollem Umfange abgewiesen.
II. Die Anschlußberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der im Jahre 1935 geborene Kläger war seit dem 1. Januar 1971 bei der Beklagten, welche die Entwicklung, Produktion und den Verkauf von Hochtemperaturreaktoren betreibt, als Elektroingenieur gegen ein Bruttogehalt von zuletzt DM 5.334,50 beschäftigt. Im September 1989 schlossen die Parteien einen schriftlichen Aufhebungsvertrag zum 30. Juni 1990, in welchem weiter eine Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG in Höhe von DM 104.000,–festgesetzt wurde. Als Datum des Vertragsabschlusses wurde den tatsächlichen Verhältnissen zuwider der 5. Dezember 1988 eingesetzt. Der Kläger hält wegen dieser Rückdatierung den Aufhebungsvertrag für sittenwidrig und macht das mit der Klage geltend. Er verlangt ferner seine Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen auf dem bisherigen Arbeitsplatz.
Anlaß für den Aufhebungsvertrag war der Umstand, daß die Beklagte aus betrieblichen Gründen seit dem Jahre 1986 die Zahl ihrer Arbeitnehmer von über 400 auf inzwischen rund 120 verringerte. Demgemäß traf die Beklagte mit einer Vielzahl von Arbeitnehmern Aufhebungsvereinbarungen, in welchen auch die Zahlungen von Abfindungen vorgesehen waren. Hierüber verhandelte sie mit dem Kläger seit Sommer 1989. Das Arbeitsgericht hat im Hinblick auf die Kündigungsfrist festgestellt, der Kläger falle unter § 4 Abs. 4 des Manteltarifvertrages für die Metallindustrie in Nordwürttemberg und Nordbaden. Danach sei für ihn die ordentliche Kündigung ausgeschlossen.
Der Kläger hält den Aufhebungsvertrag wegen der Rückdatierung für sittenwidrig und daher nichtig. Er selbst habe die Rückdatierung zwar bemerkt, aber ihr keine Bedeutung beigemessen. Die Beklagte habe sie im Hinblick auf die Regelung des § 117 Abs. 2 Satz 3 AFG vorgenommen. Danach hätte ihn eine Sperrfrist von 18 Monaten getroffen. Diese habe durch die Rückdatierung umgangen werden sollen. Ihm selbst sei die Regelung des § 117 AFG unbekannt gewesen. Unstreitig hat die Beklagte dem Kläger zur Vorlage beim Arbeitsamt Bescheinigungen nach § 133 AFG ausgestellt, die mit dem falschen Datum des Vertragsabschlusses versehen waren. Der Kläger hält ferner den Vertrag auch deswegen für sittenwidrig, weil in der Rückdatierung eine Vorbereitungshandlung zum Betrüge zum Nachteil der Bundesanstalt für Arbeit liege.
Die Beklagte widerspricht der Rechtsauffassung des Klägers. Sie strebe aus betrieblichen Gründen eine Belegschaft mit etwa 80 Mitarbeitern an. Deswegen habe man dem Kläger auch außerordentlich kündigen können mit einer Auslauffrist von 6 Monaten. Man habe mit dem Kläger bereits im Jahre 1987 über eine Aufhebungsvereinbarung gesprochen. Dem Kläger sei darüber hinaus § 117 AFG auch bekannt gewesen, ferner habe ihn der Prokurist G. auch darüber belehrt. Die Rückdatierung stelle keine Vorbehaltungshandlung zu einem Betrug dar. Sie habe nicht angenommen, daß der Kläger einen Antrag auf Arbeitslosengeld stellen werde, da ihm genügend Zeit zur Verfügung gestanden habe, sich eine neue Arbeitsstelle zu suchen. Im übrigen sei es Sache des Klägers, welche Angaben er beim Arbeitsamt mache. Schließlich verstoße der Kläger gegen Treu und Glauben, wenn er sich auf die Sittenwidrigkeit berufe, da er die Vereinbarung selbst unterzeichnet habe. Jedenfalls sei die Vereinbarung nicht gänzlich nichtig, weil der Vertrag auf jeden Fall, also auch ohne Rückdatierung geschlossen worden wäre.
Das Arbeitsgericht hat der Klage wegen der Feststellung entsprochen, wegen des Beschäftigungsantrages aber als unzulässig abgewiesen, weil er nicht hinreichend bestimmt sei. Überdies gehe das wirkliche Interesse des Klägers nicht auf Weiterbeschäftigung, sondern auf Neuverhandlungen.
Den Aufhebungsvertrag hält das Arbeitsgericht in Übereinstimmung mit dem Kläger für nichtig. Die Rückdatierung verstoße gegen die guten Sitten, weil damit die Sperrfrist des § 117 Abs. 2 Satz 3 AFG habe umgangen werden sollen. Danach sei hier eine Kündigungsfrist von 18 Monaten zu fingieren. Diese Frist beginne ab Juni 1990 zu laufen. Sie gelte hier, weil der Kläger nach § 4 Abs. 4 MTV unkündbar gewesen sei. Daß § 117 Abs. 2 Satz 3 AFG habe umgangen werden sollen, ergebe sich aus dem eigenen Vortrag der Beklagten. Sie habe nämlich vorgetragen, sie habe dem Kläger Diskussionen mit dem Arbeitsamt ersparen wollen.
Das Arbeitsgericht hält den Vertrag auch deswegen für sittenwidrig, weil er der Vorbereitung einer Straftat diene. Wenn der Kläger hier einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt und die von der Beklagten erteilte Arbeitslosenbescheinigung beim Arbeitsamt vorgelegt hätte, wäre ihm zum Schaden der Bundesanstalt für Arbeit mit an Sicherheit grenzender Wa...