Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungsordnung mit gespaltener Rentenformel. außerplanmäßige Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze. ergänzende Vertragsauslegung. Wegfall der Geschäftsgrundlage

 

Leitsatz (amtlich)

Versorgungsordnungen mit gespaltener Rentenformel sind durch die außerplanmäßige Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze im Jahre 2003 nicht per se lückenhaft geworden und im Wege ergänzender Vertragsauslegung anzupassen.

 

Normenkette

SGB VI § 275c

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 28.04.2011; Aktenzeichen 4 Ca 12461/09)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 28.04.2011 – 4 Ca 12461/09 – abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Gegenstand des von den Parteien zur Entscheidung gestellten Streites ist die Höhe der dem Kläger im Zeitraum zwischen dem 01.02.2006 und 31.12.2009 zustehende Betriebsrente im Zusammenhang mit den Auswirkungen der „außerplanmäßigen” Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (im Folgenden: BBG) zum 1. Januar 2003.

Der am 06.02.1948 geborene Kläger war in der Zeit zwischen dem 01.10.1986 bis zum 30.04.2005 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen als Qualitätsbeauftragter bei monatlichen Bruttobezügen in Höhe von EUR 5.460,28 tätig. Aufgrund der Schließung der Niederlassung in K. wurde eine Transfergesellschaft gegründet, in welcher der Kläger zwischen dem 01.05.2005 und 15.01.2006 angestellt war. Seit dem 01.02.2006 bezieht der Kläger von der Beklagten eine monatliche Betriebsrente in Höhe von EUR 447,60.

Rechtsgrundlage für den Zahlungsanspruch des Klägers auf Betriebsrente ist die Versorgungsordnung 1995 der D. E. GmbH in der Fassung vom 01.07.1995 (im Folgen: VO 1995). Diese hat auszugsweise folgenden Inhalt:

„…

§ 5

Ruhegeldfähiges Einkommen

(1) …

(2) Die Ermittlung des ruhegeldfähigen Einkommens erfolgt aus dem 13-fachen des am Berechnungsstichtag geltenden vertraglich vereinbarten monatlichen Grundgehaltes bei Gehaltsempfängern bzw. Lohnempfängern des Monatslohns (= Jahresgehalt im Sinne der Leistungsrichtlinien).

Dieses Jahresgehalt wird aufgeteilt in den Betrag bis zum 12-fachen der jeweils am Berechnungsstichtag geltenden monatlichen Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung (Teil A), und gegebenenfalls in den Teil, der das 12-fache dieser Beitragsbemessungsgrenze (Teil B) übersteigt.

§ 6

Altersrente

(1) …

(2) Die jährliche Altersrente beträgt 0,4 % des ruhegeldfähigen Einkommens (Teil A) gemäß § 5 bis zu den Beitragsbemessungsgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung (nachfolgend kurz „Beitragsbemessungsgrenze” genannt) und 1,67 % des ruhegeldfähigen Einkommens (Teil B) gemäß § 5 oberhalb der Beitragsbemessungsgrenzen, beides multipliziert mit der anrechnungsfähigen Dienstzeit gem. § 4.

§ 7

Vorgezogene Altersrente

(1) …

(2) Unabhängig von den Voraussetzungen des Absatz (1) können Versorgungsberechtigte eine vorgezogene Altersrente beantragen, wenn sie nach mindestens 10 Jahren anrechnungsfähiger Dienstzeit und Vollendung des 55. Lebensjahres aus den Diensten von Digital ausscheiden.

§ 15

Rückdeckungsversicherung

(1) Digital ist berechtigt, zur Rückdeckung (Sicherstellung) ihre Verpflichtungen aus dieser Versorgungsordnung einen entsprechenden Vertrag mit einem Versicherungsunternehmen abzuschließen. Sämtliche Rechte aus diesem Vertrag stehen ausschließlich Digital zu.

(2) …

§ 18

Vorbehalte

(1) Digital behält sich vor, die Versorgungsleistung zu kürzen oder einzustellen, wenn die bei Inkrafttreten der Versorgungsordnung maßgebenden Verhältnisse sich nachträglich so wesentlich verändert haben, dass Digital die Aufrechterhaltung der zugesagten Versorgungsleistungen auch unter objektiver Betrachtung der Belange des Versorgungsberechtigten nicht mehr zugemutet werden können.

(2) …

…”

Auf den weiteren Inhalt der VO 1995 wird Bezug genommen (Akten Bl. 12 – 32 der erstinstanzlichen Akte).

Nach § 3 Abs. 1 Ziff. 1 der gem. § 160 SGB VI erlassenen Verordnung über die maßgebenden Rechengrößen der Sozialversicherung für 2003 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2003) vom 17. Dezember 2002 betrug die BBG in der Rentenversicherung für Arbeiter und Angestellte für das Jahr 2003 EUR 55.200,00 jährlich/EUR 4.600,00 monatlich. Durch Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 23. Dezember 2002 wurde anschließend § 275 c in das SGB VI eingefügt. Die Vorschrift trat zum 1. Januar 2003 in Kraft in legte die BBG in der Rentenversicherung für Arbeiter und Angestellte für das Jahr 2003 auf EUR 61.200,00 jährlich/EUR 5.100,00 monatlich fest. Zudem wurden durch § 275 c Abs. 3 SGB VI die ungerundeten Ausgangswerte für die Bestimmungen der BBG des Jahres 2004 festgelegt. Dies hatte zur Folge, dass sich die einmalige stärkere Erhöhung der BBG des Jahres 2003 um EUR 500,00 pro...

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