Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung des normativen Teils des Tarifvertrags. Höhergruppierung und Stufenlaufzeiten gem. § 17 Abs. 4 TVöD/VKA
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können.
2. Für Höhergruppierungen haben die Tarifvertragsparteien in § 17 Abs. 4 TVöD/VKA spezielle Regelungen geschaffen, die den allgemeinen Regelungen in den §§ 16 und 17 Abs. 1 bis 3 TVöD/VKA vorgehen. Sie sind eigenständig und durchbrechen den Grundsatz, dass die Entgeltstufen die Erfahrung der Beschäftigten in der der Entgeltgruppe zu Grunde liegenden Tätigkeit abbilden sollen.
Normenkette
TVöD/VKA § 12 Anl. I EntgO Teil A I. EG 9a, §§ 16, 17 Abs. 4 S. 2; TVÜ/VKA § 29b Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Karlsruhe (Entscheidung vom 06.10.2020; Aktenzeichen 7 Ca 182/20) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 06. Oktober 2020 (7 Ca 182/20) abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien, deren Arbeitsvertrag sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in der für kommunale Arbeitgeber geltenden Fassung richtet, streiten darüber, ob die Klägerin, die in der Entgeltgruppe (EG) 9a, Stufe 3 eingruppiert ist, ab dem 01. Januar 2020 oder ab dem 01. Juni 2021 in die Stufe 4 höherzustufen ist.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht seit dem 01. Januar 2017. Die Klägerin arbeitet seitdem für die Beklagte im Gemeindevollzugsdienst und als Sekretariatsvertretung. Die Parteien sind tarifgebunden. Neben dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst kommen die diesen ergänzenden Tarifverträge, die von der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) abgeschlossen werden, einschließlich des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) zur Anwendung.
Die Beklagte gruppierte die Klägerin am 01. Januar 2017 in die Entgeltgruppe 7, Stufe 3 ein. Die Klägerin strebte eine Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 9a an. Das lehnte die Beklagte ab.
Die Klägerin erhob Klage. Das Arbeitsgericht Karlsruhe stellte mit Urteil vom 07. Mai 2019 fest, dass die Klägerin rückwirkend ab dem 01. September 2017 nach der Entgeltgruppe 9a, Stufe 3 zu vergüten sei (7 Ca 128/18). Die Beklagte legte gegen das Urteil Berufung ein. Das Landesarbeitsgericht stellte mit Beschluss vom 06. März 2020 fest, dass zwischen den Parteien folgender Vergleich zu Stande gekommen sei (14 Sa 33/19):
"1. Die beklagte Stadt... zahlt an die Klägerin ab dem 01.06.2018 die Vergütung nach der Entgeltgruppe 9a Stufe 3 Teil A l, 3 der Entgeltordnung zum TVöD VKA.
2. Damit ist der Rechtsstreit erledigt.
3. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben."
Eine Berufungsverhandlung hatte am 12. Dezember 2019 stattgefunden. Sie war vertagt worden. Mit Schreiben vom 16. Januar 2020 hatte die Beklagte der Klägerin erklärt, wie vorbesprochen werde sie die Klägerin mit Wirkung ab dem 01. September 2017 in die Entgeltgruppe 8 umgruppieren. Daran hatten sich die Vergleichsverhandlungen der Parteien angeschlossen:
- 03.02. Angebot der Beklagten: ab 01. Januar 2019 EG 9a, Stufe 3
- 04.02. Angebot der Klägerin: ab 01. Juni 2018 EG 9a, Stufe 3, ab 01. Januar 2019 EG 9a, Stufe 4
- 10.02. Angebot der Beklagten: ab 01. September 2018 EG 9a, Stufe 3
- 11.02. Die Klägerin wiederholte ihr Angebot vom 04. Februar.
- Die Parteivertreter führten telefonische Vergleichsgespräche.
- 18.02. Die Klägerin teilte dem Landesarbeitsgericht den späteren Vergleichstext mit.
- 20.02. Vergleichsvorschlag des Landesarbeitsgerichts
- 27.02. Annahme des vorgeschlagenen Vergleichs durch die Beklagte
- 03.03. E-Mail Klägervertreterin an Beklagtenvertreter: Die Klägerin möchte den Beginn der Stufe 4 auf den 01. September 2020 festlegen. Soweit dazu auf Seiten der Beklagten keine Bereitschaft bestehe, solle die Entgeltstufe offenbleiben (Anlage B 5 zum Schriftsatz der Beklagten vom 02. September 2020, Prozessakte des Arbeitsgerichts, Bl. 66).
- 03.03. Annahme des vorgeschlagenen Vergleichs durch die Klägerin. Die Beklagte
habe zugestimmt, über den Beginn der Stufenregelung eine separate Einigung herbeizuführen.
Im Januar 2020 hatte die Beklagte der Klägerin ein Entgelt der EG 8, Stufe 4 gezahlt, dies aber im Februar wie...