Entscheidungsstichwort (Thema)
Stichtagsregelung. Altersdiskriminierung
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Wirksamkeit einer Stichtagsregelung in einer Betriebsvereinbarung für die Geltung/Anwendung einer geänderten betrieblichen Altersversorgung (Betriebsvereinbarung), die an das Lebensalter des Arbeitnehmers anknüpft.
Normenkette
BetrVG § 75 Abs. 1; AGG § 7 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 21.10.2011; Aktenzeichen 11 Ca 12903/09) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 21.10.2010 – 11 Ca 12903/09 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist dem Kläger betriebliche Altersrente gemäß dem seit 01.01.2009 bei ihr neu eingeführten System der betrieblichen Altersversorgung mit der Bezeichnung D.-Vorsorge-Kapital (DVK) zu gewähren.
Der am 04.07.1944 geborene, ledige Kläger war vom 01.04.1980 bis 31.01.2010 bei der Beklagten zuletzt als Konstrukteur tätig. Vom 01.02.2010 bis 30.04.2010 erhielt der Kläger ein betriebliches Übergangsgeld, seit 01.05.2010 erhält er von der Beklagten monatliche Betriebsrente in Form der sogenannten D.-Rente (D.-Rente) gemäß der Versorgungsordnung der D. und der D. Unterstützungskasse GmbH vom 26.11.1992 in der zuletzt geltenden Fassung (VersO-DBR). In der Vergangenheit gewährte die Beklagte ihren Mitarbeitern bei Versorgungsfällen, die bis einschließlich 31.12.2008 eintraten, Leistungen gemäß der betrieblichen Altersversorgung in Form der DBR-Rente gemäß der VersO-DBR. Mit der Gesamtbetriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung D. Vorsorge Kapital vom 16.10.2008 (GBV-DVK), die am 01.01.2009 in Kraft trat, wurde für die Beschäftigten der Beklagten ein neues System der betrieblichen Altersversorgung geschaffen (DVK-Rente). Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Gesamtbetriebsvereinbarung wird vollinhaltlich auf Bl. 35-52 der Akten-ArbG verwiesen. Zudem schloss die Beklagte mit dem für ihre Betriebe gebildeten Gesamtbetriebsrat am 16.10.2008 eine weitere Gesamtbetriebsvereinbarung zur Überleitung auf das D. Vorsorge Kapital (DBV-DVK-Überleitung) ab, bezüglich deren Einzelheiten vollinhaltlich auf Bl. 53-59 der Akten-ArbG verwiesen wird. In dieser GBV-DVK Überleitung ist unter anderem Folgendes geregelt:
„2 Geltungsbereich
Diese Gesamtbetriebsvereinbarung gilt für Beschäftigte, die aufgrund eines vor dem 01.01.2007 zum Unternehmen unbefristet begründeten Arbeitsverhältnisses zum Kreis der Versorgungsanwärter nach der Altregelung zählen, sofern das Arbeitsverhältnis zum Unternehmen im Zeitpunkt des Inkrafttretens am 01.01.2009 besteht.
Ausgenommen sind Beschäftigte, die vor dem 01.01.1946 geboren sind, sowie alle Beschäftigten, die am 31.12.2008 in der Arbeits- oder Freistellungsphase der Altersteilzeit sind bzw. im Rahmen des Schichterjahres freigestellt sind.”
Die Beklagte ermöglicht ihren Arbeitnehmern, die unter den Geltungsbereich der DVK-Rente gemäß der GBV-DVK Überleitung vom 16.10.2008 fallen, die Möglichkeit, sich ihre Rente selbst zu errechnen, indem diese über eine Maske ihre konkreten persönlichen Daten auf elektronischem Wege eintragen können und über eine von der Beklagten daran angeschlossene Software ihre Rente berechnen können. Ein Zugang zu diesem System ist dem Kläger von der Beklagten auf seinen Antrag hin nicht gewährt worden, weil dieser aus Sicht der Beklagten vom Bezug einer DVK-Rente wirksam ausgenommen ist.
Durchschnittlich scheiden die Arbeitnehmer der Beklagten bei dieser vor Erreichen des 63. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis aus.
Der Kläger hat vorgetragen,
die GBV-DVK Überleitung beinhalte eine Stichtagsregelung, die sachlich nicht gerechtfertigt sei und ihn im Hinblick auf sein Alter diskriminiere, weil er sachgrundlos anders als jüngere Arbeitnehmer behandelt werde. Sein Ausschluss an der Teilhabe an der DVK-Rente sei mit erheblichen Nachteilen für ihn verbunden, da zum Einen das System der DVK-Rente eine höhere Flexibilität aufgrund der vorhandenen Wahlmöglichkeiten aufweise und er zum Anderen im Verhältnis zur Höhe seiner DBR-Rente bei einer DVK-Rente eine monatlich um ca. 125,00 EUR höhere Rente zu erwarten habe.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Zugang zu dem seit 01.01.2009 eingeführten System der betrieblichen Altersversorgung D. Vorsorge Kapital (DVK) zu gewähren und ihm entsprechend seiner persönlichen Voraussetzungen das nach diesem System (DVK) zustehende Ruhegehalt ab dem 01.02.2010 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat im Wesentlichen vorgetragen,
die in der GBV-DVK Überleitung enthaltene Stichtagsregelung sei nicht rechtswidrig. Grund für die Bestimmung dieses Stichtages sei, dass die Überführung in das neue Altersversorgungssystem ab 01.01.2009 nur für noch aktive Mitarbeiter erfolgen sollte, die zum Überführungszeitpunkt noch keinen...