Entscheidungsstichwort (Thema)

Formelhafte Wendungen und bloße Bezugnahmen keine ordnungsgemäße Berufungsbegründung. Vergütung von verbeamteten Lehrkräften. Auslegung von arbeitsvertraglichen Regelungen als Allgemeine Geschäftsbedingung. Verjährungsbeginn für Vergütungsansprüche verbeamteter Lehrkräfte

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG nicht ordnungsgemäß begründet, wenn sie nur mit formelhaften Ausführungen auf das Urteil Bezug nimmt und sich nicht in einzelnen Punkten damit auseinandersetzt. Nicht ausreichend ist auch der bloße Bezug auf das erstinstanzliche Vorbringen.

2. Eine Klausel, die auf die beamtenrechtlichen Vorschriften Bezug nimmt, unterfällt dem Anwendungsbereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

3. Unter Zugrundelegung der allgemeinen Auslegungsregeln für Allgemeine Geschäftsbedingungen will § 5 Abs. 1 des Arbeitsvertrags der verbeamteten Lehrkraft die gleiche Vergütung zukommen lassen wie einem Beamten mit der Besoldungsgruppe 13 (und ab dem 28. Januar 2016 mit der Besoldungsgruppe 14).

4. Die Zahlungsansprüche sind nicht verjährt, da eine zumutbare Klageerhebung erst mit dem Urteil des BVerfG vom 16. Oktober 2016 möglich war.

 

Normenkette

LBesGBW § 23 Abs. 2; BGB §§ 157, 195, 199, 214 Abs. 1, § 305 Abs. 1 S. 1; GG Art. 33 Abs. 5; ZPO § 92 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Entscheidung vom 12.11.2020; Aktenzeichen 1 Ca 264/19)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 09.02.2022; Aktenzeichen 5 AZR 368/21)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 12. November 2020 - 1 Ca 264/19 - wird verworfen.
  2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 12. November 2020 - 1 Ca 264/19 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 8.916,51 brutto zu bezahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. Juni 2019.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  3. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 12. November 2020 - 1 Ca 264/19 - zurückgewiesen.
  4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 8/10 und der Kläger zu 2/10.
  5. Die Revisionsbeschwerde wird nicht zugelassen.
  6. Für die Beklagte wird die Revision zugelassen.
 

Tatbestand

Zwischen den Parteien sind restliche Vergütungsansprüche im Streit.

Der Kläger war für die Beklagte, die ein Privatgymnasium betreibt, in der Zeit vom 09. September 2013 bis Anfang September 2018 als Lehrer tätig. Während dieser Zeit war der Kläger beurlaubter Beamter des Landes Baden-Württemberg.

Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 11. Januar 2013/08. März 2013 lautet - soweit vorliegend von Belang - auszugsweise (Bl. 7 ff. d. Akte des ArbG):

§ 5 Gehalt

(1) Die Höhe des Monatsgehalts richtet sich für eine verbeamtete Lehrkraft bezogen auf ein Vollzeitdeputat nach den Sätzen der Landesbesoldungsordnung A für Baden-Württemberg (Besoldungsgruppe A 13) in ihrer jeweils gültigen Fassung.

(2) Für eine nichtverbeamtete Lehrkraft richtet sich die Höhe des Monatsgehalts bezogen auf ein Vollzeitdeputat nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länger (TV-L), Tarifgebiet West (Entgeltstufe E 13), in seiner jeweils gültigen Fassung.

...

§ 17 Ausschlussfristen

(1) Ansprüche aus diesem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten von der Lehrkraft oder von der Schule schriftlich geltend gemacht werden. Die Versäumung dieser Ausschlussfrist führt zum Verlust des Anspruchs.

(2) Die Ausschlussfrist beginnt, wenn der Anspruch entstanden ist und der Anspruchsteller von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(3) Diese Ausschlussfrist gilt nicht bei Ansprüchen wegen der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit sowie bei vorsätzlichen Pflichtverletzungen.

(4) Lehnt der jeweilige Anspruchsgegner den Anspruch ab oder äußert er sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der schriftlichen Geltendmachung, sind die Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Ablehnung oder nach Ablauf der Äußerungsfrist gerichtlich geltend zu machen. Werden die Ansprüche nach Ablehnung oder Nichtäußerung nicht innerhalb der Frist gerichtlich geltend gemacht, führt dies zum Anspruchsverlust.

Die Parteien vereinbarten unter dem 28. März 2014 einen Nachtrag zum Arbeitsvertrag, wonach das wöchentliche Stundendeputat rückwirkend zum 09. September 2013 angehoben wurde und der übrige Inhalt des Arbeitsvertrages unverändert blieb (Bl. 17 der Akte des ArbG).

Unter dem 28. Januar 2016 vereinbarten die Parteien einen weiteren Nachtrag zum Arbeitsvertrag vom 09.09.2013, wonach zum 01. Februar 2016 die Aufgaben des Klägers und das Gehalt geändert wurde. Insofern lautet der Nachtrag (Bl. 18 der Akte des ArbG):

Die Höhe des Monatsgehalts richtet sich für Herrn B. bezogen auf ein Vollzeitdeputat nach den jeweils aktuell gültigen Maßgaben des Landesbesoldungsgesetzes von Baden-Württemberg, Besoldun...

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