Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmerhaftung. Verschulden. Darlegungs- und Nachweislast. Verlorene Geldbörse
Leitsatz (redaktionell)
1. Bezugspunkt des Verschuldens bei der Arbeitnehmerhaftung ist nicht allein die Verletzung der vertraglichen Pflicht, sondern auch der Eintritt des Schadens selbst
2. Es existiert kein Grundsatz des Inhalts, dass der Schaden bei normal fahrlässiger Verursachung stets zu gleichen Teilen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu tragen ist. Vielmehr richtet sich das Maß der anteiligen Haftung nach Zumutbarkeitskriterien und nach den Grundsätzen der Billigkeit unter Abwägung der jeweiligen Gesamtumstände des Sachverhalts.
Normenkette
BGB § 275; ZPO § 138
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Urteil vom 11.10.2001; Aktenzeichen 9 Ca 73/01) |
Tenor
I.
- Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Mannheim vom 11.10.2001 – Az.: 9 Ca 73/01 – teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu bezahlen EUR 657,87 (i. W.: sechshundertfünfzigsieben) netto nebst 5 % Zinsen über dem jeweils gültigen Basiszinssatz nach § 1 DÜG aus
EUR 18,75 ab dem 01.04.2001,
EUR 146,58 ab dem 01.05.2001,
EUR 274,40 ab dem 01.06.2001,
EUR 402,22 ab dem 01.07.2001,
EUR 555,61 ab dem 01.08.2001,
EUR 657,87 ab dem 01.09.2001.
- Die weitergehende Zahlungsklage wird abgewiesen.
II.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III.
- Auf die Klagerweiterung vom 04.10.2002 wird festgestellt, dass der Beklagten wegen des vom Kläger am 31.10.2001 verursachten Kassenmankos kein Schadenersatzanspruch von weiteren EUR 3.101,79 (i. W.: dreitausendeinhunderteins) zusteht.
- Die weitergehende Feststellungklage wird abgewiesen.
IV.
Von den Kosten des Rechtsstreites – beider Rechtszüge – trägt die Beklagten 5/6 und der Kläger 1/6 (bei einem erstinstanzlich festgesetzten Streitwert von DM 6.500,00 = EUR 3.323,40 und einem zweitinstanzlichen Streitwert von 80 % aus DM 7.279,89 = EUR 2.977,72).
V.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen einer verlorenen Geldbörse.
Der im Jahr 1966 geborene Kläger steht seit Juni 1987 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten – einem Brauerei-Unternehmen – als Auslieferungsfahrer. Sein monatliches Bruttoentgelt beträgt zur Zeit etwa EUR 2.300,00.
Neben der Belieferung von Gaststätten mit Bier in Fässern und Kisten gehört es zu den Aufgaben des Klägers, bei den Kunden nicht nur den Warenwert, sondern gelegentlich auch die Pacht bzw. die Miete zu kassieren. Zu diesem Zweck führt er eine großlaibige Geldbörse mit den täglichen Einnahmen von mitunter EUR 4.000,00 bis EUR 5.000,00 bei sich. Die Börse selbst verwahrt er – wie bei den insgesamt 26 Fahrern der Beklagten allgemein üblich – in der mit einem Reißverschluss versehenen Brusttasche der zur Verfügung gestellten Latzhose.
Im Januar 1988 hatte die Beklagte auf einer Fahrerbesprechung angeregt, die Börsen mit einer Sicherungskette zu versehen; die Fahrer hatten dies als für die Entladevorgänge hinderlich abgelehnt. Der Kläger bestreitet die Behauptung der Beklagten, dieser Besprechung beigewohnt zu haben.
Am 31.10.2001 belieferte der Kläger – zusammen mit dem Beifahrer Herrn K… – 16 Kunden seiner Tour-Nr. 2107. Zehn Kunden hiervon kassierte er nicht ab (vgl. Abl. 115 bis 124 II). Bevor er die letzten fünf Kunden angefahren hatte, kassierte er in M… in der „M…” DM 600,01– Abl. 125 II – und in der „R…” in H… DM 721,40 – Abl. 126 II –. Danach nahm er in der F… „Jä…” für Getränke DM 1.926,48 und an Mietzins weitere DM 4.032,00 – Abl. 127 II – ein. Die Börse hatte er zu diesem Zeitpunkt einen Barbestand von DM 7.269,89, der überwiegend aus 100-DM-Scheinen bestand. Anschließend belieferte er das Cafe „J…” in H… und suchte dort die Toilette auf. Hier kassierte er nicht, weil die türkischen Betreiber ihre offene Rechnung nicht begleichen konnten. Im Verlauf des 31.10. kassierte er in der S…-Gaststätte W… DM 812,46 – Abl. 130 II – und im F… S… DM 303,46 – Abl. 129 II –. Als er den in der F… „B…” eingenommenen Betrag von DM 212,60 – Abl. 128 II – in seine Geldbörse legen wollte, stellte er deren Verlust fest. Die vom Kläger sofort angestellte Suche bei den Kunden, die er nach der F… „Jä…” aufgesucht hatte, blieb erfolglos. Insbesondere veranlasste er seinen Beifahrer, Herrn K…, das Cafe „J…” aufzusuchen.
Der Kläger selbst verblieb im Fahrzeug, weil eine erneute Anfahrt bis zum Lokal wegen der widrigen Straßenverhältnisse schwierig gewesen wäre. Der Beifahrer suchte – vergeblich – das Lokal einschließlich der Toilette und des Papierkorbs ab. Weil die Gastwirte nicht Deutsch konnten, befragte er sie nicht nach dem Verbleib der Geldbörse. Der Kläger schilderte seinem Vorgesetzten, Herrn W…, am 31.10.2001 den Vorgang.
Der Kläger behauptet, nach Kassierung in der „Jä…” nur noch DM 212,60 bei der B… eingenommen und nach Feststellung des Verlustes der Börse in seine Tasche gesteckt zu haben.
Die Beklagte verlangte mit Abmahnung vom 06.10.2000 – Abl. 15 II – Schadensersatz „im vollem Umf...