Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung eines tarifgebundenen Unternehmens zur Fortzahlung einer tariflichen Alterssicherung auf Grundlage eines kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme geltenden Manteltarifvertrags trotz Versetzung des klagenden tarifungebundenen Arbeitnehmers an einen Standort außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Manteltarifvertrags
Leitsatz (amtlich)
1. Sagt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einer Versetzung an einen Standort außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der durch eine Gleichstellungsabrede in Bezug genommenen fachlich und räumlich konkret benannten Tarifbestimmungen zu, dass der Standortwechsel keine Auswirkung auf die tarifvertraglich zugesicherte und entgeltgruppenbezogene Grundvergütung habe und es im Übrigen bei den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen verbleibe, kann darin der Abschluss eines Neuvertrags liegen (vgl. BAG 8. Juli 2015 - 4 AZR 51/14 -).
2. Eine als kleine dynamische Bezugnahmeklausel auszulegende Gleichstellungsabrede erfasst nicht den Tarifwechsel. Dies gilt auch im Falle der Versetzung des Arbeitnehmers an einen Standort außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der in Bezug genommenen fachlich und räumlich konkret benannten Tarifbestimmungen und zwar auch dann, wenn der Arbeitgeber an diesem Standort an andere Tarifbestimmungen gebunden ist (in Abgrenzung zu BAG 15. September 2004 - 4 AZR 416/03 -). In diesem Fall gelten die in Bezug genommenen fachlich und räumlich konkret benannten Tarifbestimmungen einschließlich einer bereits erworbenen tariflichen Alterssicherung statisch fort.
3. Die Erklärung des Arbeitgebers, dass der Standortwechsel keine Auswirkungen auf die tarifvertraglich zugesicherte und entgeltgruppenbezogene Grundvergütung habe, kann gegenüber Arbeitnehmern, die eine als Mindestverdienst ausgestaltete tarifliche Alterssicherung erworben haben, als einzelvertragliche Zusicherung der Alterssicherung ausgelegt werden.
4. Die Versetzung eines altersgesicherten Arbeitnehmers außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der die Alterssicherung vermittelnden Tarifbestimmungen führt nicht zum Verlust der Alterssicherung, wenn diese als Mindestverdienst ausgestaltet ist und der Arbeitnehmer die Anspruchsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Versetzung bereits erfüllt hat.
Normenkette
MTV Metall NW/NB § 6; MTV-Metallindustrie BW § 40.1; KSchG § 1; BGB § 151 S. 1; TVG § 4a
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 02.12.2022; Aktenzeichen 10 Ca 430/22) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - vom 2. Dezember 2022 (Az. 10 Ca 430/22) abgeändert:
- Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger restlichen Lohn für den Monat Oktober 2021 in Höhe von 1.054,67 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem 1. November 2021 zu bezahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restlichen Lohn für den Monat November 2021 in Höhe von 740,58 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem 1. Dezember 2021 zu bezahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restlichen Lohn für den Monat Dezember 2021 in Höhe von 766,86 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem 1. Januar 2022 zu bezahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger restlichen Lohn für den Monat Januar 2022 in Höhe von 810,56 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem 1. Februar 2022 zu bezahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Restlohn für den Monat Februar 2022 in Höhe von 838,60 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem 1. März 2022 zu bezahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restlichen Lohn für den Monat März 2022 in Höhe von 805,01 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem 1. April 2022 zu bezahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Restlohn für den Monat April 2022 in Höhe von 703,95 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem 1. Mai 2022 zu bezahlen.
- Es wird festgestellt, dass der Kläger gegenüber der Beklagten einen Lohnanspruch aufgrund tarifvertraglich zugesichertem Alterssicherungsverdienst in Höhe von monatlich mindestens 4.019,62 Euro brutto innehält.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die tarifgebundene Beklagte zur Fortzahlung einer tariflichen Alterssicherung auf Grundlage eines kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme geltenden Manteltarifvertrags verpflichtet ist, nachdem der tarifungebundene Kläger an einen Standort versetzt wurde, der sich außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Manteltarifvertrags befindet.
Die Beklagte ist im Gebiet der Filtration tätig. Sie beschäftigt weltweit an rund 80 Standorten mehr als 22.000 Arbeitnehmer. Sie hat ihren Stammsitz in L.. Ein Bet...