Entscheidungsstichwort (Thema)
Weitergeltung einer Verdienstsicherung nach den Vorschriften des Manteltarifvertrags für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie nach einem Wechsel des Betriebes. Auslegung der Vertragsklausel als Gleichstellungsabrede in Form einer kleinen dynamischen Bezugnahme
Leitsatz (redaktionell)
Bei der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die Tarifbestimmungen für Arbeiter der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden handelte es sich um eine sogenannte Gleichstellungsabrede. Folge der Auslegung einer Vertragsklausel als Gleichstellungsabrede in Form einer kleinen dynamischen Bezugnahme ist, dass jedenfalls bei Fortgeltung der Tarifbindung des Arbeitgebers und bei fortbestehender Einschlägigkeit der Anwendungsbereiche der Tarifverträge dynamisiert die jeweils geltenden einschlägigen Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung gebracht werden können.
Normenkette
TVG § 3; BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 28.02.2023; Aktenzeichen 12 Ca 402/22) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Ludwigsburg vom 28.2.2023 (12 Ca 402/22) abgeändert.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restlichen Lohn für den Monat Oktober 2021 zu bezahlen iHv. 509,46 Euro brutto nebst Zinsen hieraus iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 2.11.2021.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restlichen Lohn für den Monat November 2021 zu bezahlen iHv. 1.038,28 Euro brutto nebst Zinsen hieraus iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1.12.2021.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restlichen Lohn für den Monat Dezember 2021 zu bezahlen iHv. 776,00 Euro brutto nebst Zinsen hieraus iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 3.1.2022.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restlichen Lohn für den Monat Januar 2022 zu bezahlen iHv. 746,25 Euro brutto nebst Zinsen hieraus iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1.2.2022.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restlichen Lohn für den Monat Februar 2022 zu bezahlen iHv. 847,62 Euro brutto nebst Zinsen hieraus iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1.3.2022.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restlichen Lohn für den Monat März 2022 zu bezahlen iHv. 816,30 Euro brutto nebst Zinsen hieraus iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1.4.2022.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restlichen Lohn für den Monat April 2022 zu bezahlen iHv. 675,56 Euro brutto nebst Zinsen hieraus iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 2.5.2022.
- Es wird festgestellt, dass gegenüber dem Kläger ein tariflicher monatlicher Alterssicherungsbetrag iHv. 4.044,57 Euro zur Anwendung zu bringen ist.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Differenzvergütungsansprüche des Klägers und in diesem Zusammenhang über die Frage, ob auf die Berechnung der klägerischen Vergütung auch nach dem Wechsel des Klägers vom Betrieb L. (Baden-Württemberg) in den Betrieb S. (Rheinland-Pfalz) weiterhin eine Verdienstsicherung nach den Vorschriften des Manteltarifvertrags für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden (MTV NW/NB) bzw. ab 1. Januar 2022 nach den Vorschriften des ablösenden Manteltarifvertrags Baden-Württemberg (MTV BW) durchzuführen ist unter Zugrundelegung des dem Kläger mitgeteilten Alterssicherungsbetrags.
Die Beklagte ist auf dem Gebiet der Filtration tätig. Sie hat ihren Stammsitz in L. Weitere Produktionsstätten unterhält die Beklagte in S., Sb. und M. Die Beklagte ist in Baden-Württemberg Mitglied des Verbands der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg (Südwestmetall) und in Rheinland-Pfalz Mitglied des Verbands der pfälzischen Metall- und Elektroindustrie (Pfalzmetall).
Der am 00. Januar 0000 geborene Kläger wurde ab 26. März 1990 bei der Beklagten im Werk L. eingestellt und war dort tätig als Produktionsmitarbeiter. Der Kläger ist kein Mitglied einer Gewerkschaft.
Grundlage des ursprünglich begründeten Arbeitsverhältnisses war der schriftliche Arbeitsvertrag vom 1. März 1990. Darin heißt es unter anderem:
Für Ihr Arbeitsverhältnis gelten die gesetzlichen Vorschriften, die Tarifbestimmungen für Arbeiter der Metallindustrie in Nordwürttemberg und Nordbaden sowie die Betriebsordnung und die Betriebsvereinbarungen unseres Unternehmens.
Mit Schreiben vom 30. Januar 2019 übermittelte die Beklagte dem Kläger aus Anlass des Erreichens des 54. Lebensjahrs eine Mitteilung über die (tarifliche) Alterssicherung. Der Alterssicherungsbetrag wurde mit 4.044,57 Euro mitgeteilt.
Die Beklagte legte am Standort L. die Produktion still. Dies erfolgte stufenweise bis 31. Dezember 2022. Hierfür schloss die Bekla...