Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 20.10.1999; Aktenzeichen 1 Ca 4197/99) |
Tenor
1.) Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Stuttgart vom 20.10.1999 –1 Ca 4197/99 – wird zurückgewiesen.
2.) Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3.) Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im vorliegenden Verfahren über die Höhe des der Klägerin aus einem bei der Beklagten bestehenden Sozialplan zustehenden Abfindungsanspruchs.
Die Klägerin ist am 16.12.1971 geboren und war seit Oktober 1989 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Textilindustrie, als Maschinenarbeiterin beschäftigt zu einem durchschnittlichen Gehalt von DM 3.000,–. Ab 07.05.1995 ging die Klägerin aufgrund der Geburt des 1. Kindes in Mutterschutz und nahm daran anschließend Erziehungsurlaub. Während des Erziehungsurlaubs wurde das 2. Kind geboren. Bis 05.08.2000 hat die Klägerin sich weiterhin im Erziehungsurlaub befunden. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete unstreitig durch betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 12.07.1999 zum 31.08.1999, nachdem das Gewerbeaufsichtsamt gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 BErzGG der Kündigung zugestimmt hatte.
Mit Datum vom 31.03.1999 hatten die Beklagte und der im Werk Winnenden bestehende Betriebsrat einen Sozialplan geschlossen im Hinblick auf die zum 31.07.1999 durchgeführte Stillegung der Produktion im Werk Winnenden. Dieser Sozialplan sieht unter Ziffer 1 eine Abfindung für die durch arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung entlassenen Arbeitnehmer vor, berechnet nach einer bestimmten Formel, die bei Anwendung auf die Klägerin zu einem Abfindungsanspruch in Höhe von DM 6.318,– geführt hätte. In Ziffer 4 des Sozialplans ist folgendes geregelt:
„Arbeitnehmerinnen, die sich am 31.03.1999 im Erziehungsurlaub befinden, welcher nach ihrem Antrag erst im Jahre 2000 oder später enden sollte und die nach Zustimmung des Gewerbeaufsichtsamtes gekündigt werden oder mit denen Aufhebungsverträge abgeschlossen werden, sind in der Anlage D namentlich benannt und erhalten die dort festgelegten Pauschbeträge, die hiermit verbindlich vereinbart sind.”
Die Klägerin gehört zu den in Anlage D namentlich benannten Arbeitnehmerinnen und hat danach eine Abfindung in Höhe von DM 3.600,– zu beanspruchen, die unstreitig ausgezahlt worden ist. Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin nunmehr noch die Zahlung der Differenz in Höhe von DM 2.718,–.
Die Klägerin hat erstinstanzlich einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen
Gleichbehandlungsgrundsatz geltend gemacht. Für Mitarbeiterinnen im Erziehungsurlaub bestünden nach dessen Beendigung dieselben Schwierigkeiten, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, wie für die unmittelbar durch die Betriebsstillegung von der Kündigung betroffenen Mitarbeiter. Die ohnehin nur ausnahmsweise zulässige Kündigung im Erziehungsurlaub sei sehr oft das „Aus” in Bezug auf eine weitere Berufstätigkeit. In der unterschiedlichen Zahlung einer Entschädigung für Mitarbeiter/innen im Erziehungsurlaub liege darüber hinaus eine Verletzung von Artikel 119 EG-Vertrag. Es handele sich um eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.
Die Klägerin hat beim Arbeitsgericht zuletzt beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über den ihr nach dem Sozialplan unstreitig zustehenden Betrag von DM 3.600,– hinaus eine weitere Sozialplanabfindung in Höhe von DM 2.718,– zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat im wesentlichen vorgetragen, dass ein sachlicher Grund bestehe, an aktive Mitarbeiter höhere Abfindungen zu bezahlen als an Erziehungsurlauber/innen. Der Bedarf an Überbrückungshilfe zur erforderlichen Neuorientierung auf dem Arbeitsmarkt entstehe bei einem aktiven Mitarbeiter mit Ablauf der Kündigungsfrist am 31.07.1999, während für die Klägerin, die derzeit Erziehungsgeld erhalte, finanzielle Nachteile aus dem Verlust ihres Arbeitsplatzes erst mit dem 08.08.2000 eintreten könnten.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 20.10.1999 die Klage abgewiesen. Die im Sozialplan vorgenommene Differenzierung zwischen Erziehungsurlaubern, deren Erziehungsurlaub erst ab 01.01.2000 endet, und aktiven Mitarbeitern sei wirksam. Entscheidend sei, dass die So_zialplanabfindung eine Überbrückungsfunktion habe und die Betriebspartner bei typisierender Betrachtungsweise den Bedarf an Überbrückungshilfe für die aktiv Beschäftigten höher als den für Erziehungsurlauber hätten bewerten dürfen. Denn die aktiven Mitarbeiter würden mit dem Ablauf der Kündigungsfrist ihr Einkommen verlieren, während diese Situation bei den in der Anlage D genannten Erziehungsurlaubern frühestens im Jahr 2000 eintreten werde. Der Sozialplan verstoße auch nicht gegen Artikel 119 EG-Vertrag. Zwar stelle die Abfindung Entgelt im Sinne von Artikel 119 Abs. 2 EG-Vertrag dar. Die unterschiedliche Überbrückungsbedürftigkeit stelle jedoch einen die Ungleichbehandlung rechtfertigenden objektiven Faktor dar, der nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Ge...