Entscheidungsstichwort (Thema)

Umstrukturierung vom Fachmarkt zur Abverkaufsstelle als Grund einer betriebsbedingten Kündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die unternehmerische Entscheidung, einen Elektrogerätefachmarkt zu einer Abverkaufsstelle für Elektrogeräte umzustrukturieren, kann ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses darstellen.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2-3

 

Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Urteil vom 31.03.2004; Aktenzeichen 10 Ca 322/03)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.09.2005; Aktenzeichen 2 AZR 74/05)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim – Kammern Heidelberg – vom 31.03.2004 – Az.: 10 Ca 322/03 – abgeändert:

Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit einer am 15.05.2003 erhobenen Klage wehrt sich der seit 01.11.1996 bei der Beklagten als Verkäufer in der Filiale H. zu einem monatlichen Bruttogehalt von 2.187,–EUR beschäftigte 28-jährige Kläger gegen eine ordentliche aus betriebsbedingten Gründen zum 31.05.2003 ausgesprochene Kündigung seines Arbeitsverhältnisses vom 22.04.2003.

Die bundesweit mit mehr als 90 Filialen Elektroartikel, insbesondere aus dem Bereich Unterhaltungselektronik vertreibende Beklagte schloss zum Zwecke der Sanierung wegen andauernder Verluste seit 2001 mit dem für die Regionen Süd und Südwest zuständigen Betriebsrat am 13.02.2003 eine Interessenausgleich und Auswahlrichtlinie beinhaltende Vereinbarung. Unter Hinweis auf die in den Vorbemerkungen der Vereinbarung niedergelegten betriebswirtschaftlichen Daten sah der Interessenausgleich eine Betriebsänderung vor, wonach alle in einer Anlage aufgeführten Filialen, – die Filiale H. bis Jahresende 2003 –, später bis Mai 2003 zu reinen Abverkaufsstellen umgestaltet werden sollten. Angelieferte Ware sollte direkt auf Paletten im Markt angeboten werden, Kundenberatung nur noch im möglichen Zeitrahmen und eingeschränkt stattfinden bei reduziertem Warenangebot. Im Durchschnitt sollten in einer Filiale noch ein Marktleiter und neun für alle anfallenden Arbeiten zuständige Mitarbeiter beschäftigt werden. Die bisherigen Mitarbeiter, mit Ausnahme des Marktleiters und der Auszubildenden, sollten gekündigt werden; in der Filiale des Klägers sollten 12 keine Beendigungskündigung, sondern gemäß der in der Vereinbarung vom 13.02.2003 niedergelegten Auswahlrichtlinie eine Änderungskündigung erhalten. In der konkreten Durchführung wurde vereinbart, dass alle Mitarbeiter unter Beachtung der jeweiligen Kündigungsfristen zum Abschluss des Umbaus gekündigt werden und bei der Besetzung auf den neuen Arbeitsplätzen berücksichtigt werden sollten mit Vorrang der Änderungskündigungen gemäß der Richtlinie. Diese sah auch, mit Ausnahme der Marktleiter, für alle bisher tätigen die Vergleichbarkeit ungeachtet der bisherigen Arbeit vor.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die nach dem vorgetragenen Konzept der Umwandlung in eine reine Abverkaufsstelle behauptete Personalreduzierung sei im Einzelfall nicht geeignet, schon aus diesem Grunde die Notwendigkeit der weiteren Beschäftigung des Klägers zu verneinen. Die Beklagte habe auch das nach ihrer unternehmerischen Entscheidung entfallende Beschäftigungsbedürfnis des Klägers nicht nachvollziehbar dargelegt; es könne auch nach dem neuen Konzept auf die Arbeitskraft des Klägers nicht verzichtet werden. Auf die weiteren Ausführungen des Arbeitsgerichts sei verwiesen.

Gegen das am 01.07.2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28.07.2004 Berufung eingelegt und diese am 27.08.2004 begründet. Die unternehmerische Entscheidung, neben vielen anderen die Filiale H. in eine Abverkaufsstelle umzugestalten, habe alle bisherigen Arbeitsplätze für Abteilungsleiter, Fachberater, Lageristen und Kassierer entfallen lassen. Mit dem Umbau seien für einen Filialleiter und 12 Mitarbeiter neue Arbeitsplätze geschaffen worden, die es zuvor nicht gegeben habe. Die Beklagte habe keine Entscheidung zum Personalabbau getroffen, sondern sich für eine Betriebsänderung entschieden, die zum Verlust aller Arbeitsplätze geführt habe. Die Anzahl neuer Arbeitsplätze zur Realisierung ihres Konzepts des Discountbetriebs müsse ihr überlassen sein. Die notwendige Mitarbeiterzahl sei anhand einer auf betriebswirtschaftlicher Basis ermittelten Prognoseentscheidung getroffen, mit dem Betriebsrat beraten und von diesem akzeptiert. Dieses neue, reine Discountprinzip habe seinen Niederschlag in der mit dem Betriebsrat getroffenen Vereinbarung über Interessenausgleich und Auswahlrichtlinie gefunden mit der Folge von Änderungs- bzw. Beendigungskündigungen. Der Arbeitsplatz des Klägers als Fachberater sei aus vorgenannten Gründen ersatzlos entfallen.

Entgegen der Folgerung des Arbeitsgerichts sei dem Kläger ein Arbeitsplatz unter Berücksichtigung der vorgesehenen Änderungen angeboten worden, falls ein solcher zur Verfügung stehen sollte, was er vorbehaltlos abgelehnt habe. Die Beklagte habe daher eine Beendigungskündigung au...

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