Entscheidungsstichwort (Thema)
Formwidrige Befristung durch stillschweigende Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags aufgrund Verlängerungsklausel des ursprünglichen schriftlichen Arbeitsvertrages
Leitsatz (amtlich)
1. Die stillschweigende befristete Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags auf der Grundlage einer Verlängerungsklausel im ursprünglichen schriftlichen Arbeitsvertrag erfüllt nicht das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 1 TzBfG.
2. Zu der Frage, ob die befristete Beurlaubung eines Beamten einen sachlichen Grund darstellt, das Arbeitsverhältnis mit dem Beamten zu befristen.
Leitsatz (redaktionell)
Allein der Umstand, dass eine als Sonderschulrektorin beschäftigte Lehrkraft durch ein Beamtenverhältnis wirtschaftlich abgesichert ist, rechtfertigt nicht die Befristung des Arbeitsverhältnisses; § 14 Abs. 1 TzBfG gilt für alle Beschäftigten ungeachtet ihrer sozialen Schutzbedürftigkeit.
Normenkette
TzBfG § 14 Abs. 1 Nrn. 4, 6, Abs. 4; BGB §§ 125, 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Entscheidung vom 23.07.2014; Aktenzeichen 11 Ca 59/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 23.07.2014 (11 Ca 59/14) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht auf Grund der vereinbarten Befristung im Jahr 2011 mit Ablauf des 14.09.2014 aufgelöst worden ist.
- Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin mit Beginn des Schuljahres 2015/2016 bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Befristungsschutzantrag vorläufig als Sonderschulrektorin der St. B. Schule weiterzubeschäftigen. Der weitergehende Beschäftigungsantrag wird abgewiesen.
- Im Übrigen wird die Klage als unzulässig abgewiesen.
- Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 1/4, der Beklagte zu 3/4.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das gemeinsame Arbeitsverhältnis auf Grund einer vereinbarten Befristung mit Ablauf des 14.09.2014 (Ende der Sommerferien) geendet hat.
Die Klägerin, geboren am 27.11.1953, geschieden, ist ausgebildete Sonderschullehrerin und Beamtin des Landes Baden-Württemberg. In den Schuljahren 1984/85 bis 1988/89 arbeitete sie für den Beklagten als angestellte Sonderschullehrerin. Daran anschließend war die Klägerin bis zum Schuljahr 1994/95 an staatlichen Schulen beschäftigt, zuletzt als Beamtin.
Am 02.08.1995 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag ab (s. im Einzelnen Anlage K 1 zur Klagschrift, Prozessakte des Arbeitsgerichts (im Folgenden: Arb), Bl. 9 ff.). Dieser enthält u.a. folgende Regelungen:
"§ 1
Frau K.-I. wurde durch Erlaß des Oberschulamts vom 24.04.1995 für die Zeit vom 01.08.1995 bis 31.07.1998 mit vollem Lehrauftrag beurlaubt. Sie wird für die genannte Zeit von dem ... e.V. eingestellt.
...
§ 3
...
Frau K.-I. wird entsprechend der für sie erteilten Unterrichtsgenehmigung die Schulleitung der St. B.schule des ... e.V. in S. übertragen.
...
§ 11
Im Falle einer erneuten Beurlaubung durch das Oberschulamt verlängert sich dieses Vertragsverhältnis für den Zeitraum der erneuten Beurlaubung, ohne daß es weiterer Erklärungen der Parteien bedarf. Voraussetzung für die Beantragung einer weiteren Verlängerung ist die Zustimmung des ... e.V."
Der Beklagte ist Träger der staatlich anerkannten St. B.-Schule, Schule für Erziehungshilfe am Heim. Die Klägerin leitete diese Schule auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 02.08.1995 vom Schuljahr 1995/1996 bis zum Schuljahr 2013/2014. Seit 1997 nahm sie das Amt einer Sonderschulrektorin wahr und erhielt eine Vergütung entsprechend der Besoldungsgruppe A 15. Das waren zuletzt monatlich 5.869,49 Euro brutto.
Parallel zum Arbeitsverhältnis wurde die Klägerin durchgehend vom Land Baden-Württemberg als Beamtin - seit 2008 jeweils für drei Jahre - beurlaubt. Die letzte Beurlaubung erfolgte für die Schuljahre 2011/2012 bis 2013/2014 bis zum 14.09.2014. Die Beurlaubungen wurden von der Klägerin mit ausdrücklicher Zustimmung des Beklagten beantragt.
Am 11.11.2013 erklärte der Dorfleiter des Beklagten G. P. der Klägerin, der Beklagte werde einer weiteren Verlängerung der Beurlaubung nicht zustimmen. Das zuständige Regierungspräsidium schrieb der Klägerin am 16.04.2014, es würde die Klägerin als Beamtin weiterhin bis zum Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand beurlauben, wenn der Beklagte hierzu seine Zustimmung erteilte. Dies geschah nicht. Die Beurlaubung der Klägerin wurde nicht verlängert.
Der Beklagte beschäftigt die Klägerin seit dem Schuljahr 2014/2015 nicht mehr weiter. Er geht davon aus, das Arbeitsverhältnis sei gem. § 11 des Arbeitsvertrags beendet. Die Leitung der St. B.-Schule hat der dienstälteste Lehrer des Kollegiums kommissarisch übernommen. Die Klägerin arbeitet im Schuljahr 2014/2015 als Sonderschullehrerin an einer staatlichen Schule und erhält als solche eine Vergütung der Besoldungsgruppe A 13.
Die Klagschrift ging am 28.02.2014 beim Arbeitsgericht ein und wurde der...