Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachtzuschläge für die Tätigkeit eines Nachtportiers
Leitsatz (amtlich)
1. Ein tarifvertraglicher Ausgleich für Nachtarbeit iSd. § 6 Abs. 5 ArbZG ergibt sich für einen "Night Auditor" (Nachtportier) weder aus der Einstufung gemäß dem Lohn- und Gehaltstarifvertrag für die Beschäftigten des Hotel- und Gaststättengewerbes in Baden-Württemberg noch aus dem Manteltarifvertrag für die Beschäftigten des Hotel- und Gaststättengewerbes in Baden-Württemberg.
2. Im vorliegenden Fall stellt ein Zuschlag von 25 % auf den jeweiligen Bruttostundenlohn einen angemessenen Ausgleich für geleistete Nachtarbeit iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG dar.
Normenkette
ArbZG § 6 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 28.04.2015; Aktenzeichen 25 Ca 8184/14) |
Tenor
I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 28. April 2015 - 25 Ca 8184/14 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.190,88 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Dezember 2014 zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Der Kläger trägt 3/10, die Beklagte trägt 7/10 der erstinstanzlichen Kosten. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
III.
Für die Beklagte wird die Revision zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug noch über die Verpflichtung der Beklagten, Nachtzuschläge für die Tätigkeit des Klägers als "Night Auditor" zu zahlen.
Der am XX. Mai 19XX geborene Kläger, der gelernter Hotelfachmann ist, war vom 1. November 2013 bis 31. Oktober 2014 auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 21. Oktober 2013, wegen dessen Wortlauts auf Bl. 6 bis 11 der ArbG-Akte Bezug genommen wird, bei der Beklagten, die am S. F. ein Hotel mit 229 Zimmern betreibt, als "Night Auditor" tätig. Er war stets allein an der Rezeption und erledigte alle während der Nacht anfallenden Aufgaben im gesamten Hotel. Die Arbeitsschicht des Klägers ging zunächst von 22.00 Uhr bis 06.30 Uhr inklusive 30 Minuten Pause, ab Juli 2014 sodann bis 06.18 Uhr. In der Hausordnung der Beklagten ist geregelt, dass ihre Mitarbeiter während ihrer Pausen das Betriebsgelände nicht verlassen dürfen.
Mit Schreiben vom 11. November 2014 (Bl. 19 f. der ArbG-Akte) machte die spätere Prozessbevollmächtigte des Klägers für diesen u. a. Nachtzuschläge für die Monate August bis Oktober 2014 in Höhe von 1.408,57 € gegenüber der Beklagten geltend.
Der Kläger hat vorgetragen: Er habe regelmäßig keine Pause nehmen können, weil er beispielsweise Gäste aus- und einchecken und Telefonate entgegennehmen musste. Sofern doch eine Pause genommen werden konnte, habe er diese am Arbeitsplatz verbringen müssen. Teilweise sei er drei- bis viermal in seiner "Pause" unterbrochen worden. Für seine Nachtarbeit habe er Anspruch auf einen angemessenen 25 %-igen Zuschlag auf seinen Stundenlohn von 13,61 €. Er habe die Verantwortung für das ganze Hotel getragen, was den Aufgaben eines Night Managers entspreche. Der für allgemeinverbindlich erklärte Manteltarifvertrag für die Beschäftigten des Hotel- und Gaststättengewerbes in Baden-Württemberg (im Folgenden: MTV) enthalte zur Nachtarbeit eine Lücke. In einem Ballungsraum wie S. sei es erforderlich, die tariflichen Mindestsätze anzuheben, um qualifiziertes Personal zu rekrutieren, was die Beklagte beim Kläger getan habe.
Mit seiner am 10. Dezember 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 17. Dezember 2014 zugestellten Klage hat der Kläger beantragt:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Nachtzuschläge in Höhe von 1.431,15 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz daraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Mehrarbeitsvergütung in Höhe von 926,33 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz daraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen: Der Kläger habe während seiner Arbeitszeit Gäste ein- und auschecken und auch Fragen und Reklamationen bearbeiten müssen. Entgegen dem vom Kläger vermittelten Eindruck sei dies aber nicht die ganze Nacht so durchgegangen. Da jedenfalls in der Zeit zwischen 01.00 Uhr und 04.00 Uhr nahezu kein Gästeverkehr erfolgt sei, habe der Kläger frei entscheiden können, wann er seine Pause nahm. Der MTV sehe eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung iSd. § 6 Abs. 5 ArbZG nicht vor, obgleich der - nicht für allgemeinverbindlich erklärte - Lohn- und Gehaltstarifvertrag für die Beschäftigten des Hotel- und Gaststättengewerbes in Baden-Württemberg (im Folgenden: LGTV) die Tätigkeit als "Night Auditor" ausdrücklich vorsehe. Da der Kläger als "Night Auditor" einen Beruf ausübe, den es im Tagesdienst gar nicht gebe, könne auch kein Vergleich mit einer vergleichbaren Tätigkeit im Tagesdienst angestellt werden. Dieser Umstand sei bei der Frage der Angemes...