Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckung eines Urteils auf Weiterbeschäftigung
Leitsatz (amtlich)
Die Zwangsvollstreckung eines auf tatsächliche Beschäftigung „zu unveränderten Arbeitsvertragsbedingungen” gerichteten Urteils kommt nur in Betracht, wenn die geschuldete Leistung vom Arbeitgeber erbracht werden kann und sie ausschließlich, von dessen Willen abhängt.
Normenkette
ZPO § 888 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 09.05.1986; Aktenzeichen 27 Ca 330/85) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 26. Mai 1986, beim Landesarbeitsgericht Berlin eingegangen am 28. Mai 1986, wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 9. Mai 1986 – 27 Ca 330/85 –, ihr zugestellt am 15. Mai 1986, wie folgt abgeändert:
Der Antrag des Gläubigers vom 3. April 1986 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Zwangsvollstreckungs- und Beschwerdeverfahrens hat der Gläubiger zu tragen.
III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 1.500,– DM festgesetzt.
Gründe
Die statthafte, §§ 62 Abs. 2, 78 Abs. 1 ArbGG, 888 Abs. 1, 793 ZPO, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Schuldnerin, §§ 78 Abs. 1 ArbGG, 577, 574, 569 Abs. 2 ZPO, über die der Vorsitzende des Beschwerdegerichts allein entscheiden konnte (vgl. LAG Berlin vom 24.5.1977, AuR 1977, 346), hat Erfolg. Deshalb muß der Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 9. Mai 1986, durch den gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld in Höhe von 6.000,– DM verhängt worden ist, aufgehoben und der entsprechende Antrag des Gläubigers zurückgewiesen werden.
Ob einem Arbeitnehmer, wie vorliegend, ein Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung außerhalb des Anwendungsbereiches des § 102 Abs. 5 BetrVG nach einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen außerordentlichen fristlosen oder fristgerechten Kündigung bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzprozesses zusteht, erscheint zweifelhaft. Zwar hat der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts in einer Entscheidung vom 27. Februar 1985 (BB 1985, 1978 = DB 1985, 2197) unter bestimmten Voraussetzungen einen solchen Anspruch anerkannt. Diese Rechtsprechung ist jedoch sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung auf erhebliche Kritik gestoßen (vgl. insbesondere LAG Niedersachsen vom 7.2.1986, DB 1986, 1126 mit ausführlichen Nachweisen; neuestens Berkowsky, BB 1986, 795), indem ernstzunehmende Einwendungen gegen diese Rechtsprechung sowohl in rechtsdogmatischer Hinsicht als auch im Hinblick auf eine unzulässige Rechtsfortbildung durch Richterrecht geltend gemacht werden. Indessen ist es der Beschwerdekammer im vorliegenden Verfahren aus rechtlichen Gründen verwehrt, zu der maßgeblichen Streitfrage Stellung zu nehmen; denn auch das Landesarbeitsgericht ist insoweit, jedenfalls im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens, an das erstinstanzliche Urteil gebunden, durch das die Beschwerdeführerin verurteilt worden ist, den Schuldner bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsrechtsstreites zu unveränderten Arbeitsvertragsbedingungen weiterzubeschäftigen. Urteile des Arbeitsgerichts, gegen die die Berufung zulässig ist, sind nämlich vorläufig vollstreckbar, § 62 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, so daß aus ihnen auch die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann, § 704 Abs. 1 ZPO.
wie das erkennende Gericht wiederholt entschieden hat (vgl. etwa LAG Berlin vom 19.1.1978, EzA Nr. 1 zu § 888 ZPO), richtet sich die Zwangsvollstreckung eines titulierten Anspruches auf tatsächliche Beschäftigung nach § 888 Abs. 1 ZPO, weil Gegenstand der Zwangsvollstreckung eine unvertretbare Handlung ist. Die Erfüllung des Beschäftigungsanspruches setzt nämlich je nach dem Einzelfall eine Mehrzahl konkreter positiver Handlungen des Arbeitgebers voraus. Den Arbeitgeber trifft insoweit eine Verpflichtung, die sogenannten Arbeitssubstrate zur Verfügung zu stellen. Diese Pflicht umfaßt im wesentlichen die Pflicht zur Bereitstellung eines normal funktionierenden Betriebes, von Werkzeugen und -stoffen sowie die Pflicht zur Übertragung von Arbeit, und zwar der vertragsgemäß geschuldeten. Die Verwirklichung des Beschäftigungsanspruches ist mithin ohne die Beschaffung der sogenannten Arbeitssubstrate nicht möglich (vgl. Lepke, Der Anspruch auf Beschäftigung, Berliner Juristische Dissertation 1967, S. 152).
wie dargelegt, handelt es sich bei der Verpflichtung der Schuldnerin zur tatsächlichen Beschäftigung des Gläubigers, um eine Handlung, die durch einen Dritten nicht vorgenommen werden kann und deren Durchsetzung ausschließlich von dem willen des Schuldners abhängt. Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO ist jedoch, daß dem Schuldner die Vornahme der geschuldeten Handlung möglich ist (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 44. Auflage 1986, § 888 Anm. 1 A; Bayerisches OLG, BB 1975, 1036; OLG Frankfurt, Rpfleger 1977, 185; OLG Hamm, NJW 1974, 653; KG MDR 1973, 145). Daraus folgt, daß die Vornahme der Handlung noch im Zeitpunkt der Vollstreckung ausschließlich vom willen des Schuldners abhängig ist und dieser sich in der t...