Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratsinterner Minderheitenschutz. Nachwahl eines freigestellten Betriebsratsmitgliedes
Leitsatz (amtlich)
Scheidet ein freigestelltes (in die Freistellung durch Verhältniswahl gewähltes) Betriebsratsmitglied aus dem Betriebsrat aus, so entscheidet der Betriebsrat über die Neubesetzung der Freistellung mit einfacher Stimmenmehrheit auch dann, wenn die Liste, der das ausgeschiedene Mitglied angehört hat, noch nicht erschöpft ist; ein Nachrücken in die Freistellung analog § 25 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 BetrVG findet nicht statt (von BAG NZA 1993, 910 offen gelassen).
Normenkette
BetrVG § 38 Abs. 2, §§ 33, 25 Abs. 1, 2 (analog)
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 21.09.1994; Aktenzeichen 5 BV 208/94) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 4) gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. September 1994 – 5 BV 208/94 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten (jetzt noch) über die Frage, ob – nach dem Ausscheiden eines freigestellten (in die Freistellung durch Verhältniswahl gewählten) Betriebsratsmitgliedes aus dem Betriebsrat – ein Ersatzmitglied der Liste, der das ausgeschiedene Betriebsratsmitglied angehört hat, in die Freistellung analog § 25 Abs. 1 und 2 Satz 1 BetrVG nachrückt, oder ob der Betriebsrat mit einfacher Stimmenmehrheit über die Freistellung neu entscheiden kann.
Im Betrieb der Beteiligten zu 6) (der Arbeitgeberin) fand am 14. März 1994 in Form der Gruppenwahl eine Betriebsratswahl statt. Die Wahl erfolgte in der Gruppe der Angestellten, in welcher drei Listen kandidierten, als Verhältniswahl. Der gewählte Betriebsrat besteht aus 23 Mitgliedern, nämlich 22 Angestellten und einer Arbeiterin. Die Beteiligten zu 1) bis 4), die Antragsteller, sind als Angestellte über die Liste 1 („Die Unabhängigen”) in den Betriebsrat gewählt worden. Diese Liste errang insgesamt zehn Mandate; die Liste 2 („Wahlgemeinschaft '90” – eine Verbindung von DAG und HBV –) errang acht, die Liste 3 („Die Alternative”) vier Mandate.
In der konstituierenden Sitzung am 23. März 1994 gingen die Betriebsratsmitglieder der Listen 2 und 3 sowie die gewählte Arbeiterin eins vor der Wahl nicht angekündigte Koalition ein und bildeten (unter anderem) für die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder eine gemeinsame Liste („Liste 2”), während die Betriebsratsmitglieder der Liste 1 insoweit eine eigene „Liste 1” aufstellten; auf dieser kandidierten an erster Stelle … an zweiter Stelle Herr … an dritter Stelle die Antragstellerin und Beteiligte zu 1). Als freizustellende Betriebsratsmitglieder wurden die ersten drei Kandidaten der Liste 2 und die ersten zwei Kandidaten der Liste 1 gewählt.
Der über die Liste 1 gewählte Angestellte … legte sein Betriebsratsmandat am 26. April 1994 nieder. Der Betriebsrat (Beteiligte zu 5) wählte daraufhin in einer Sitzung am 16. Mai 1994 mit einfacher Stimmenmehrheit zum neuen freigestellten Betriebsratsmitglied die Angestellte … (Beteiligte zu 7) der ersten Instanz), welche auf der Liste 3 in den Betriebsrat gewählt worden war und bei der Freistellungswahl am 23. März 1994 auf der Liste 2 an vierter Stelle kandidiert hatte.
Gegen diese Nachwahl haben sich die Antragsteller und Beteiligten zu 1) bis 4) mit ihrem am 24. Mai 1994 beim Arbeitsgericht Berlin eingereichten Antrag gewandt und geltend gemacht, die Nachwahl sei unwirksam, weil zum einen die Antragstellerin und Beteiligte zu 1) analog § 25 Abs. 2 Satz 1 BetrVG in die Freistellung des Herrn … nachgerückt sei und zum anderen zu der Betriebsratssitzung am 16. Mai 1994 nicht ordnungsgemäß, insbesondere nicht rechtzeitig eingeladen worden sei.
Sie haben beantragt,
- die Nachwahl der weiteren Beteiligten zu 7) als freizustellendes Betriebsratsmitglied für unwirksam zu erklären;
- festzustellen, daß nach der Niederlegung seines Amtes als Betriebsratsmitglied durch den freigestellten Betriebsrat … … am 26.04.1994 die Antragstellerin zu 1) als Ersatzmitglied in die Freistellung nachgerückt ist und freigestellt ist, ohne daß es einer erneuten Wahl bedarf.
Der Betriebsrat (Beteiligte zu 5) hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Die Beteiligten zu 6) (Arbeitgeberin) und 7) (Frau … haben an der Anhörung teilgenommen, jedoch keine Anträge gestellt. Die weiteren Betriebsratsmitglieder, die auf der Liste 1 in den Betriebsrat gewählt worden sind, sind in erster Instanz am vorliegenden Verfahren nicht beteiligt worden.
Durch Beschluß vom 21. September 1994 hat das Arbeitsgericht Berlin dem Antrag zu 1) entsprochen (da zur Nachwahl am 16. Mai 1994 nicht ordnungsgemäß eingeladen worden sei), den Antrag zu 2) jedoch als unbegründet abgewiesen; wegen der Einzelheiten der Begründung wird insoweit auf S. 7 bis 11 der Beschlußgründe Bezug genommen (Bl. 53 bis 57 d.A.).
Gegen diesen den Antragstellern und Beteiligten zu 1) bis 4) am 3. November 1994 zugestellten Beschluß, den der Betriebsrat, die Arbeitgeberin und die Beteil...