Leitsatz (amtlich)

Unzulässigkeit einer Berufung wegen mangelnder Beschwer; Änderung der Statthaftigkeitsvoraussetzungen durch den Einigungsvertrag; Vertretungszwang für Berufungen in „Ost-Sachen”, die nach dem 3.10.1990 eingelegt worden sind.

 

Verfahrensgang

Stadtbezirksgericht Berlin-Weißensee (Urteil vom 03.08.1990; Aktenzeichen 18 A 45/90)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil desStadtbezirksgerichts Berlin-Weißensee vom3. August 1990 – 18 A 45/90 – wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

 

Gründe

1.

Der Kläger, der in der Zeit vom 1. September 1975 bis 31. Dezember 1989 bei der Beklagten zuletzt als Baubereichsleiter beschäftigt war, hat mit der am 3. April 1990 beim Stadtbezirksgericht Berlin-Weißensee eingereichten Klage die Zahlung einer Zielprämie für das III. und IV. Quartal 1989 in Höhe von 500,– M geltend gemacht.

Das Stadtbezirksgericht hat durch Urteil vom 3. August 1990 die Klage als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses, ihm am 2. Oktober 1990 zugestellte Urteil richtet sich seine vom 28. Oktober 1990 datierende, beim Stadtbezirksgericht Berlin-Weißensee eingelegte, als Einspruch bezeichnete Berufung, die am 7. November 1990 beim Landesarbeitsgericht Berlin eingegangen ist und mit der der Kläger sein Klagebegehren weiterverfolgt.

2.

Die Berufung des Klägers war gemäß § 519 b ZPO als unzulässig zu verwerfen. Dabei ergibt sich die Unzulässigkeit aus mehreren Rechtsgründen.

2.1

Die Berufung ist unstatthaft, da die Berufung weder zugelassen worden ist noch der Wert des Beschwerdegegenstandes 800,– DM übersteigt, § 64 Abs. 2 ArbGG.

§ 64 Abs. 2 ArbGG war gemäß Artikel 8 des Vertrages vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR aber die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag –, ratifiziert durch Gesetz vom 23. September 1990 – Einigungsvertragsgesetz – (BGBl. II, 885) und Gesetz vom 20. September 1990 (GBl. I, 1627) in Verbindung mit Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 28 i der Anlage I zum Einigungsvertrag vom 31. August 1990 auf die Berufung des Klägers anzuwenden, obwohl das erstinstanzliche Urteil noch vor dem Beitritt der DDR ergangen und dem Kläger zugestellt worden ist.

Nach Artikel 8 des Einigungsvertrages tritt mit dem Wirksamwerden des Beitritts, dem 3. Oktober 1990, in dem in Artikel 3 genannten Gebiet – zu dem auch der Teil des Landes Berlin gehört, in dem das Grundgesetz bisher nicht galt – grundsätzlich Bundesrecht in Kraft. Nach Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 28 i der Anlage I zum Einigungsvertrag vom 31. August 1990 richtet sich die Zulässigkeit des Rechtsmittels und das weitere Verfahren hierzu nach den in Kraft gesetzten Vorschriften, sofern am Tage des Wirksamwerdens des Beitritts ein Rechtsmittel bereits eingelegt oder – wie vorliegend – zwar noch nicht eingelegt, aber die Frist zur Einlegung noch nicht abgelaufen ist.

Bei der ursprünglich auf Zahlung von 500,– M der Deutsche Demokratischen Republik gerichteten Klage, deren in Deutsche Mark zu bestimmender Wert sich aufgrund der Währungsumstellung gemäß Artikel 7 § 1 Abs. 1 der Anlage 1 zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der BRD und der DDR vom 18. Mai 1990 – Unionsvertrag noch halbiert hat, tat der nach § 64 Abs. 2 ArbGG erforderliche Beschwerdewert von mehr als 800,– DM offenkundig nicht erreicht.

Das Stadtbezirksgericht Berlin-Weißensee hat die Berufung des Klägers auch nicht etwa zugelassen. Die Rechtsmittelbelehrung, wonach gegen das Urteil die Berufung zulässig ist, gehört schon nicht zum Inhalt der Entscheidung, weil sie nicht mitunterzeichnet worden ist. Zudem handelt es sich um einen bloßen Hinweis auf die damalige Rechtslage, die keine sogenannte Erwachsenheitssumme als Rechtsmittelvoraussetzung kannte (vgl. II 147 ff ZPO – DDR vom 19.06.1975 – GBl. I, 555 – in der Fassung des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der ZPO vom 29.06.1990 – GBl. I, 547 ff –).

Für eine ersetzende Zulassung durch das Landesarbeitsgericht als Berufungsgericht gemäß Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 28 i Satz 3 der Anlage I zum Einigungsvertrag bestand kein Anlaß, da die Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 ArbGG nicht vorliegen.

2.2

Die Berufung ist darüber hinaus auch unzulässig, da sie vom Kläger selbst und damit nicht in der gesetzlichen Form eingelegt worden ist.

Nach § 11 Abs. 2 ArbGG müssen sich die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht durch Rechtsanwälte oder Verbandsvertreter im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 2 ArbGG vertreten lassen, was beinhaltet, daß auch die Berufung wirksam nur durch einen Rechtsanwalt oder Verbandsvertreter eingelegt werden kann.

Die Vorschrift des § 11 Abs. 2 ArbGG findet uneingeschränkt Anwendung auf alle Rechtsmittel, die nach dem Beitritt, also nach dem 3. Oktober 1990 eingelegt worden sind. Darauf daß nach dem Recht der DDR die Möglichkeit bestand, Rechtsmittel ohne Einschaltung eines Anwaltes oder Vertreters einzulegen (II 148 Abs. 1 Satz 1, 151 ZPO – DDR in der Fassung vom 29. Juni 1990), kommt ...

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