Leitsatz (amtlich)

Lauf der Berufungsfrist bei vor dem 3. Oktober 1990 zugestellten Urteilen eines Kreisgerichts, die eine Rechtsmittelbelehrung nach alten DDR-Recht enthalten.

 

Verfahrensgang

Stadtbezirksgericht Berlin-Köpenick (Urteil vom 23.08.1990; Aktenzeichen 16 A 342/90)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen des Urteil des Stadtbezirksgerichts Berlin-Köpenick vom 23. August 1990 – 16 A 342/90 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung.

Die Klägerin, die geschieden ist und Mutter eines am 24. April 1989 geborenen Kindes, war ab dem 17. April 1990 bei dem Beklagten, einem damals selbständigen Bäckermeister beschäftigt. An einigen Tagen fehlte die Klägerin wegen eigener krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, an anderen wegen Krankheit ihres Kindes.

Vom 5. bis 30. Juni 1990 war die Bäckerei wegen Betriebsferien geschlossen. Sie wurde danach nicht wieder eröffnet. Pläne, sie an einen Nachfolger zu übertragen, zerschlugen sich.

Am 3. Juli 1990 fand die Klägerin an dem Geschäft einen Zettel vor, auf dem vermerkt war, daß die Bäckerei nicht mehr öffnen würde und sie sich am 12. Juli 1990 beim Beklagten melden solle. An diesem Tag war der Beklagte nicht erreichbar. Es kam zu einem Gespräch am 16. Juli 199 in dem der Beklagte der Klägerin mitteilte, daß die Kläger zum 17. Juli 1990 gekündigt sei.

Mit ihrer beim Stadtbezirksgericht Berlin-Köpenick am 24. Juli 1990 eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Kündigung.

In der mündlichen Verhandlung vom 23. August 1990, zu der der Beklagte nicht erschienen war, ist folgendes Urteil ergangen:

  1. „Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die Kündigung vom 16.07.1990 nicht aufgelöst wurde.
  2. Gerichtskosten werden in Arbeitsrechtssachen nicht erhoben. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Prozeßparteien selbst.”

Auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils wird verwiesen.

Gegen dieses ihm am 26. September 1990 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte, und zwar zunächst mit seinem beim Stadtbezirksgericht Berlin-Köpenick am 11. Oktober 1990 eingegangenen von ihm selbst unterschriebenen Schriftsatz, und dann mit beim Landesarbeitsgericht am 30. November 1990 eingegangenem Schriftsatz nebst Berufungsbegründung.

Er trägt vor:

Die Klägerin habe ihn, den Beklagten, sittenwidrig geschädigt da sie zu keiner Zeit beabsichtigt habe, tatsächlich zu arbeiten, sondern gewußt habe, daß sie sich nach Unterzeichnung des Arbeitsvertrages werde krankschreiben lassen, und zwar unter Ausnutzung der großzügigen Vorschriften des alten DDR-Arbeitsrechts. Er habe der Klägerin mitgeteilt, daß das Arbeitsverhältnis nur dann aufrechterhalten werden könne, wenn das Kind krippenfähig sei. Das sei aber nicht der Fall. Von der Auflösung des Geschäfts habe er der Klägerin keine Mitteilung machen können, weil er deren Adresse nicht gehabt habe. Die Klägerin habe eine Weiterbeschäftigung bei einem etwaigen Geschäftsnachfolger abgelehnt und sich selbst um eine neue Stelle kümmern wollen. Damit sei das Arbeitsverhältnis aufgelöst.

Der Beklagte beantragt

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung.

Der Beklagte beantragt ferner,

das Urteil des Stadtbezirksgerichts Berlin-Köpenick vom 23. August 1990 – 16 A 342.90 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil reit rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen und trägt insbesondere vor:

Es sei zu keiner Zeit ein Aufhebungsvertrag geschlossen worden. Von einer Krippenunfähigkeit ihres Kindes könne keine Rede sein.

 

Entscheidungsgründe

1. Für die Entscheidung über die Berufung ist das Landesarbeitsgericht zuständig.

Nach Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt IV Nr. 3 Buchstabe j der Anlage I zum Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR über die Herstellung der Einheit Deutschlands, ratifiziert durch Gesetz vom 23. September 1990 – Einigungsvertragsgesetz – (BGBl. II S. 885) und Gesetz vom 20. September 1990 (GBl. I S. 1627), gehen die bei den Gerichten des Teils des Landes Berlins, in dem das Grundgesetz bisher nicht galt, anhängigen Verfahren am Tag des Wirksamwerdens des Beitritts, dem 3. Oktober 1990, in der Lage, in der sie sich befinden, auf die nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland zuständigen Gerichte über; dabei richtet sich die Zuständigkeit für Rechtsmittel nach dem neuen Recht. Zur Entscheidung über Berufungen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a ArbGG ist demnach das Landesarbeitsgericht zuständig (§ 64 Abs. 1 ArbGG)

2. Die Berufung ist zulässig.

Der Beklagte hat zwar zweimal Berufung eingelegt; es handelt sich gleichwohl um ein einheitliches Rechtsmittel. Darüber ist grundsätzlich einheitlich zu entscheiden. Da die Berufung vom 30. November 1990 zulässig ist, ist auf die Zulässigkeit de...

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