rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsverhältnis aufgrund Mehrheitsbeschlusses
Leitsatz (amtlich)
1. Mitglieder einer sozialistischen Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) standen trotz Abschlusses einer Arbeitsvereinbarung nicht in einem Arbeitsverhältnis zu ihrer Genossenschaft.
2. Wird durch Mehrheitsbeschluß eine sozialistische PGH in eine eingetragene Genossenschaft (eG) umgewandelt, so kann in deren Statut zugleich geregelt werden, daß die Arbeitsleistung der Genossen nunmehr auf der Grundlage eines neben ihrer Mitgliedschaft bestehenden Arbeitsverhältnisses erbracht werden soll.
3. Ein von der eG wirtschaftlich abhängiger Genosse ist wegen seiner Weisungsgebundenheit zumindest als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG anzusehen.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Lit. a; PGH-UmwandlungsVO
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 23.05.1991; Aktenzeichen 97 Ca 1064/91) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 23. Mai 1991 – 97 Ca 1064/91 – aufgehoben und die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Gerichten für Arbeitssachen festgestellt.
2. Die weitere sofortige Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
1.
Das Arbeitsgericht Berlin hat sich für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Kündigung der Beklagten und die Weiterbeschäftigung des Klägers an das Landgericht Berlin verwiesen. Zur Begründung hat es im es endlichen ausgeführt, der Kläger sei als Mitglied der als PGH organisiert gewesenen Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig gewesen.
Gegen diesen ihr am 17. Juni 1991 zugestellten Beschluß richtet sich die am 28. Juni 1991 beim Arbeitsgericht Berlin eingelegte Beschwerde der Beklagten, die aus verschiedenen Gesetzesänderungen herleiten will, daß der Kläger zuletzt als Arbeitnehmer für sie tätig gewesen sei.
2.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 3 GKG statthaft. Sie ist von der Beklagten auch fristgemäß und formgerecht beim Arbeitsgericht eingelegt und begründet worden (§§ 569 Abs. 1 Hs. 1, 577 Abs. 2 Satz 2 ZPO, § 78 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Die Bezeichnung als (bloße) Beschwerde war unschädlich.
Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.
Die Gerichte für Arbeitssachen sind zur Entscheidung des Rechtsstreites berufen. Bei dem Streit um die Wirksamkeit der Kündigung der Beklagten und die Pflicht zur Weiterbeschäftigung des Klägers handelt es sich um eine Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Lit. a ArbGG).
Allerdings war durch die zwischen der Rechtsvorgänger in der Beklagten und den Kläger unter dem 10. Oktober 1988 getroffen „Vereinbarung” (Bl. 30 d.A.) ursprünglich kein Arbeitsrechtsverhältnis begründet worden. Nach § 4 EGAGB DDR vom 16. Juni 1977 (GBl. I S. 228) hätte es erst noch vom Ministerrat zu erlassender Rechtsvorschriften bedurft, damit für Arbeiter und Angestellte geltende Bestimmungen, welche die Arbeits- und Lebensbedingungen betrafen, auch für Mitglieder sozialistischer Produktionsgenossenschaften Anwendung gefunden hätten. Daraus folgt, daß die Beziehung einer Genossenschaft zu ihrer Mitgliedern auch hinsichtlich deren Arbeitsleistung gerade nicht als ein Arbeitsrechtsverhältnis im Sinne der damaligen Terminologie einzustufen war, auf welches das AGB DDR vom 15. Juni 1977 (GBl. I S. 135) nach seinem § 15 Abs. 2 ohnehin Anwendung gefunden hätte. Während ein Arbeitsvertrag das Recht und die Pflicht zur Arbeit überhaupt erst begründete, diente die Arbeitsvereinbarung mit einem Genossen lediglich der Konkretisierung dieser Rechte-Pflichten-Lage (Stolze ZIP 1991, 566, 567). Demzufolge handelte es sich um eine Rechtsbeziehung eigener Art, woran sich durch die sprachlichen Korrekturen durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Arbeitsgesetzbuches vom 22. Juni 1990 (GBl. I S. 371) ebenso wenig etwas geändert hat wie durch die gleichzeitige Streichung des § 4 EGAGB DDR in § 3 Abs. 2 dieser Novelle (vgl. Oetker BB 1991, 1559, 1561). Soweit die Beklagte meint, etwas aus dem Wegfall der Differenzierung verschiedener Bigentumsforme in § 15 Abs. 2 AGB DDR 1977 herleiten zu können, verkennt sich, daß es in dieser Bestimmung ja gerade um Arbeitsrechtsverhältnisse dort beschäftigter Außenstehender, nicht dagegen die Rechtsverhältnisse der Genossen selbst gegangen war.
Die Rechtsbeziehung der Parteien hat jedoch im Zusammenhang mit der am 19. September 1990 beschlossenen Umwandlung der Beklagten von einer PGH zu einer eingetragenen Genossenschaft aufgrund der Verordnung über die Gründung, Tätigkeit und Umwandlung von Produktionsgenossenschaften des Handwerkes vom 8. März 1990 (GBl. I S. 164), die gemäß Anlage II zum Einigungvertrag Kapitel V Sachgebiet A Abschnitt 3 Nr. 4 fortgilt, eine Änderung erfahren. Aus dem zugleich beschlossenen Statut (Bl. 4 bis 23 d.A.) ergibt sich, daß die Arbeitsleistung der Genossen nunmehr im Rahmen eines neben der Mitglied...