Verfahrensgang

ArbG Chemnitz (Beschluss vom 22.07.1992; Aktenzeichen 11 Ca 1888/92)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 22. Juli 1992 – 11 Ca 1888/92 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die weitere sofortige Beschwerde an das Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

 

Gründe

Die Klägerin des Hauptverfahrens ist seit 1980 Mitglied der Beklagten, bei der sie auch Land und Inventar eingebracht hat. Mit Vereinbarung vom 03.12.1980 verpflichtete sie sich ab 14.04.1980 als Sachbearbeiterin tätig zu sein. Auf die „Arbeitsvereinbarung” Bl. 9, 10 d.A. wird Bezug genommen. Nachdem sie zunächst täglich 7 Stunden arbeitete, ist die Klägerin seit 1990 vollbeschäftigt, ab 01. Juni 1991 auf einer ABM-Stelle. Im Jahre 1991 beschloß die Beklagte in Erfüllung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes als Aktiengesellschaft fortzubestehen und als „Bauernland Agrar Aktiengesellschaft” zu firmieren. Eine Eintragung ist noch nicht erfolgt.

Mit Schreiben vom 09.03.1992, zugegangen am 16.03.1992, kündigte die Beklagte das „Arbeitsverhältnis per 31.03.1992” (Bl. 12 d.A.). Mit ihrer am 02.04.1992 beim Kreisgericht eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen diese Kündigung. Die Beklagte hält die Klage wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit für unzulässig.

Mit Beschluß vom 22. Juli 1992 hat die Kammer des Arbeitsgerichts Chemnitz den beschrittenen Rechtsweg für zulässig erklärt, da die Klägerin arbeitnehmerähnlich sei.

Gegen den am 26.08.1992 zugestellten Beschluß hat die Beklagte am 07.09.1992 sofortige Beschwerde eingelegt. Die Klägerin sei als Mitglied der Beklagten tätig gewesen und nicht arbeitnehmerähnlich.

Sie beantragt,

den Beschluß des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 22.07.1992 aufzuheben und das Verfahren an das Kreisgericht Chemnitz – Kammer für Handelssachen – zu verweisen.

Die Klägerin beantragt,

die sofortige Beschwerde abzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Beschluß für zutreffend, da die soziale Schutzbedürftigkeit und ihrer Abhängigkeit durch die Mitgliedschaft nicht berührt würden.

Für das weitere Vorbringen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 17 a GVG), form- und fristgerecht eingelegt, aber unbegründet. Mit Recht hat das Arbeitsgericht die Gerichte für Arbeitssachen als zuständig für diesen Rechtsstreit betrachtet. Die Klägerin ist arbeitnehmerähnliche Person im Sinne von § 5 ArbGG. Sie ist allerdings keine Arbeiternehmerin nach § 2 ArbGG. Die Klägerin war Mitglied der Beklagten und hat als Mitglied Land und Inventar eingebracht sowie ihre Arbeitskraft. Darüber hat sie eine Arbeitsvereinbarung geschlossen, so daß hier kein Arbeitsrechtsverhältnis im Sinne des AGB 1977 der früheren DDR zustandegekommen war. Ihre Leistungen und Pflichten ergaben sich, wie die Mustervereinbarung vom 03.12.1980 selbst vorsieht, aus ihrer Eigenschaft als Genossenschaftsmitglied. Mit Recht werden deshalb die Mitglieder solcher Genossenschaften nicht als Arbeitnehmer angesehen (LAG Berlin vom 11.09.1991, 6 Ta 8/91, RzK I 8 m aa Nr. 7 = BB 1991, S. 2299; vom 13.01.1992 – 9 Ta 1/92, DB 1992, S. 742) und konnten deshalb auch nicht mit zum Betriebsrat wählen (LAG Chemnitz vom 22.07.1992, 2 TaBV 2/92 Dresden, Presseinformation Nr. 2/1992).

Die Klägerin ist aber wirtschaftlich unselbständig, insoweit von der Beklagten abhängig und als sonstige Person als arbeitnehmerähnlich anzusehen. Sie ist einem Arbeitnehmer vergleichbar wirtschaftlich abhängig und sozial schutzbedürftig. Ihre soziale Stellung ist der eines Arbeitnehmers ähnlich (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting § 5 ArbGG Anmerkung 20 m.w.N.). Das folgt bereits aus der Arbeitvereinbarung selbst, wonach Arbeitspflicht, Arbeitsort, Arbeitsweise, ganzjährige Beschäftigung, Schichtarbeit und auch Urlaub von 18 Werktagen festgelegt sind. Bis auf die Vergütung entspricht daher diese Vereinbarung einem Arbeitsvertrag. Die Regelung macht die Klägerin wirtschaftlich abhängig und läßt andere Beschäftigungen und damit Verdienstmöglichkeiten nicht zu. Dementsprechend wurde dann auch „aus betrieblichen Gründen” gekündigt, weil die Umgestaltung in eine AG Personalabbau erforderlich machten, eine Maßnahme, wie sie bei zahllosen Arbeitsverhältnissen in den neuen Bundesländern durchgeführt und von den Gerichten für Arbeitssachen nachgeprüft werden.

Dem stehen die Sonderregelungen für die Landwirtschaft nicht entgegen. Unabhängig von der Zuständigkeit ist nämlich im Hauptverfahren zu prüfen, welche Kündigungsbestimmungen Anwendung finden. Die landwirtschaftliche Auseinandersetzung regelt sich ebenfalls unabhängig von der Mitarbeit als Sachbearbeiterin und deren Beendigung, wie auch die Arbeitsvereinbarung gesondert getroffen worden ist.

Die Entscheidung ergeht durch den Vorsitzenden allein. § 48 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG betrifft nur das erstinstanzliche Verfahren und ist in § 64 Abs. 7 ArbGG nicht aufgeführt. Wenn am Landesarbeitsgericht nur die Kammer entscheiden kann, ist das besonders festgelegt (§ 66 Abs. 2 Arb...

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