Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerde gegen erstinstanzliche Entscheidung über Richterablehnung nur bei greifbarer Gesetzwidrigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Beschwerderecht wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit einer Entscheidung des Arbeitsgerichts betreffend Richterablehnung.

 

Normenkette

ZPO § 49 Abs. 3, § 567

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Beschluss vom 14.08.1997; Aktenzeichen 23 Ca 45664/96)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 14. August 1997 – 23 Ca 45664/96 – ihren Prozeßbevollmächtigten zugestellt am 20. August 1997, wird bei einem Wert des Beschwerdegegenstandes von 4.100,00 DM auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

 

Tatbestand

I.

Das Rechtsmittel der Beschwerde ist unstatthaft und muß deshalb als unzulässig verworfen werden.

1.

Soweit das Arbeitsgericht durch Beschluß vom 14. August 1997 das Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Arbeitsgericht Berlin R. vom 01. August 1997 für unbegründet erklärt hat, findet gegen diese Entscheidung ein Rechtsmittel nicht statt, was sich unmittelbar aus § 49 Abs. 3 ArbGG ergibt. Dieser Rechtsmittelausschluß erweist sich als verfassungsgemäß und rechtfertigt sich aus dem Gesichtspunkt der besonderen Beschleunigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens (vgl. insbesondere LAG Rheinland-Pfalz vom 17.11.1981, EzA Nr. 1 zu § 49 ArbGG 1979; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Auflage 1995, § 49 Rdn. 45). Weder Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG noch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 bzw. 20 Abs. 3 GG fordern zwingend, daß in jedem Falle gegen eine gerichtliche Entscheidung ein Instanzenzug eröffnet sein muß. Hier unterliegt die erstinstanzliche Entscheidung, ob der abgelehnte Richter befangen ist oder nicht, nicht der Nachprüfbarkeit durch die höhere Instanz.

2.

Nach allgemeiner Auffassung in der zivilprozessualen Literatur und Rechtsprechung (vgl. nur BGHZ 121, 397 [398]; BGH NJW 1994, 2363; BGH DB 1997, 773; OLG Stuttgart NJW 1997, 64 m.w.N.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 15. Auflage 1993, S. 896 f.; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 55. Auflage 1997, § 567 Rdn. 6 m.w.N.), die auch im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren weitgehend Beachtung findet (vgl. nur Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 49 Rdn. 45 ff.; Sächsisches LAG, DB 1997, 1088), soll die Beschwerde gegen eine nach den gesetzlichen Vorschriften unanfechtbare Entscheidung ausnahmsweise wegen sogenannter greifbarer Gesetzwidrigkeit statthaft sein, nämlich dann, wenn eine Entscheidung dieser Art, dieses Inhalts oder von diesem Gericht jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist, sie also mit der Rechtsordnung schlechthin unvereinbar erscheint. Die sogenannte „außerordentliche Beschwerde”, die im Gesetz an sich nicht vorgesehen ist und deshalb auch als „greifbar gesetzwidrig” kritisiert wird (vgl. nur Chlosta NJW 1993, 2160), findet jedenfalls keine Anwendung bei einem „einfachen” Verstoß gegen Verfahrensvorschriften. Ein Verstoß gegen das in Art. 103 Abs. 1 GG garantierte Prozeßgrundrecht des rechtlichen Gehörs reicht dafür deshalb in aller Regel nicht aus (so auch LAG Berlin vom 11.09.1997 – 6 Ta 13/97 –), weil er der Entscheidung weder insgesamt die rechtliche Grundlage nimmt noch sie ihrem Inhalt nach gesetzwidrig macht (BGH NJW 1990, 838). Vielmehr stellt er bloß einen, wenn auch schweren Verfahrensfehler dar, der in einem die sofortige Beschwerde eröffnenden Verfahren zur Aufhebung und zur Zurückverweisung zwecks erneuter Entscheidung über das Ablehnungsgesuch führt (dazu auch OLG Koblenz, Juristisches Büro 1976, 1684). Für eine der Verletzung des rechtlichen Gehörs zugrunde liegende willkürliche und deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Verfahrensweise des Gerichts gilt insoweit nichts anderes.

Ausgehend von diesen eben dargestellten Grundsätzen kann jedenfalls vorliegend nicht von einer greifbaren Gesetzwidrigkeit des Beschlusses des Arbeitsgerichts, durch den über den Befangenheitsantrag der Beklagten entschieden worden, ausgegangen werden.

Die dienstliche Stellungnahme des abgelehnten Richters (Bl. 167 ff. d.A.) ist den Beklagtenvertretern rechtzeitig zur Stellungnahme übersandt worden. Sie hatten ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme. Wenn das Arbeitsgericht dem Verlängerungsantrag der Beklagten vom 11. August 1997 nicht stattgegeben hat, so ist darin ein entscheidungserheblicher Verfahrensfehler, der die greifbare Gesetzwidrigkeit der nachfolgenden Entscheidung zur Folge haben könnte, nicht erkennbar, denn die Frist zur Stellungnahme war angemessen, da die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten die Verhandlung selbst mitverfolgt haben. Angesichts dessen kann keine Rede davon sein, daß die Voraussetzungen einer außerordentlichen Beschwerde vorliegend erfüllt wären.

 

Entscheidungsgründe

II.

1.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

2.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes ergibt sich aus § 3 ZPO, wobei von einem Drittel des Wertes der Kündigungsschutzklage auszugehen ist, was einem Monatseinkommen des Klägers in Höhe von 4.100,00...

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