Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung einer Betriebsratswahl
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Wahlvorstand hat aufgrund der betrieblichen Verhältnisse zu entscheiden, an welchen geeigneten, den Wahlberechtigten zugänglichen Stellen ein Abdruck des Wahlausschreibens auszuhängen ist. Sind 84 Betriebsstätten vorhanden, scheidet selbst für einen siebenköpfigen Wahlvorstand ein Aushang in sämtlichen Betriebsstätten aus.
2. Der Wahlvorstand hat zu entscheiden, in welchen Betriebsstätten das Wahlausschreiben ausgehängt werden soll. Aushänge in zwei Betriebsstätten, in denen von 1949 Arbeitnehmern 606 bzw. 197 Arbeitnehmer tätig sind, ist sachgerecht, wenn bereits zuvor sämtliche Arbeitnehmer über die anstehende Betriebsratswahl und den Zeitablauf der wichtigsten Wahltermine per Post oder Intranet informiert wurden und allen Wahlberechtigten später ein weiteres Informationsschreiben mit dem Text des Wahlausschreibens als Anlage übermittelt wurde.
Normenkette
BetrVG § 19; WO § 2/IV, § 3/IV, § 6/IV, § 7/II, §§ 8, 10/II
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 30.09.2002; Aktenzeichen 42 BV 14879/02) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. bis 36. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 30.09.2002 – 42 BV 14879/02 – wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl. Die Antragsteller und Antragstellerinnen (im folgenden: Antragsteller), die Beteiligten zu 1 bis 36, sind Beschäftigte im Betrieb Konzernleitung der D. B. AG, der Beteiligten zu 38. Der Beteiligte zu 37 ist der aus 17 Mitgliedern bestehende Betriebsrat im Betriebe der Beteiligten zu 38.
Die Wirksamkeit der Betriebsratswahl wird von den Antragstellern im Hinblick auf folgende Umstände angefochten:
- Bestellung des Wahlvorstandes,
- Bekanntmachung des Wahlausschreibens, der Auslegung von Wählerliste und Wahlordnung sowie Bekanntmachung der Wahlvorschläge,
- Zurückweisung einer Vorschlagsliste durch den Wahlvorstand,
- fehlerhafte Mitteilung von Beanstandungen bezüglich einer Vorschlagsliste durch den Wahlvorstand.
Dem Streit der Beteiligten liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 14. Dezember 2001 schlossen die DB AG und die Tarifgemeinschaft der Eisenbahnergewerkschaften einen „Tarifvertrag zu betriebsverfassungsrechtlichen Fragen bei der DB AG” – abgekürzt BetrVTV – DB AG –. Auf der Grundlage von § 3 BetrVG wurde unter anderem für die Konzernleitung der DB AG in Berlin und die regionalen Außenstellen die Wahl eines einheitlichen Betriebsrates geregelt. Aus dem Anhang I zum Tarifvertrag (Kopie Bl. 35 d.A.) ist zu entnehmen, dass zum damaligen Zeitpunkt Konzernleitung und Außenstellen in 24 verschiedenen Orten der Bundesrepublik mit damals insgesamt 1940 Beschäftigten existierten. In den 24 Städten der Bundesrepublik waren insgesamt 84 Betriebsstätten vorhanden. (vgl. die Liste über den Personalbestand nach Standorten – Stand: 01.05.2002 – Kopie Bl. 160 bis 163 d.A.) Von den Beschäftigten in der Konzernleitung mit Außenstellen waren in Berlin, P. Platz, 606 Beschäftigte tätig, in F., St.straße, 197 Beschäftigte.
Am 14. Dezember 2001 schlossen der Vorstand der DB AG und die Tarifgemeinschaft der Eisenbahnergewerkschaften eine Regelungsvereinbarung, wonach unter anderem für die Konzernleitung die Bestellung der Wahlvorstände durch die bisherigen Betriebsräte zu erfolgen hatten. (vgl. Kopie Bl. 122 d.A.) Zuvor war am 8. November 2001 vom Betriebsrat bei der Konzernleitung der DB AG der Wahlvorstand zur Durchführung der Betriebsratswahl, bestehend aus sieben Mitgliedern, bestellt worden.
Mit Info vom 19. Februar 2002 an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der DB AG Konzernleitung (Kopie Bl. 43 d.A.) gab der Wahlvorstand seine Bestellung bekannt und wies zugleich auf die für die Zeit vom 14. bis 16. Mai 2002 durchzuführende Betriebsratswahl hin. Der Wahlvorstand kündigte die Möglichkeit der Briefwahl an und teilte zugleich den Zeitablauf für die wichtigsten Wahltermine, also Bekanntmachung des Wahlausschreibens, Auslegung von Wählerliste und Wahlordnung, Einreichung von Wahlvorschlägen, Ende der Einspruchsfrist gegen Wählerlisten, letzten Termin zur Einreichung von Wahlvorschlägen, Bekanntmachung der gültigen Wahlvorschläge und Versendung von Briefwahlunterlagen mit. Der Wahlvorstand gab das Wahllokal für die am 14. Mai 2002 beginnende Wahl an. Die Orte für die Bekanntgabe des Wahlausschreibens, der Auslegung von Wählerliste und Wahlordnung sowie der Bekanntmachung der Wahlvorschläge wurden vom Wahlvorstand nicht angegeben. Es wurde darauf hingewiesen, dass diese Information nicht die nach dem Betriebsverfassungsgesetz und der Wahlordnung vorgeschriebenen Bekanntmachungen/Veröffentlichungen des Wahlvorstandes ersetze. Die Info vom 19. Februar 2002 wurde über BKU (das bei der DB AG bestehende Intranet-System) veröffentlicht. 270 Beschäftigte der Konzernleitung, die über keinen BKU-Anschluss verfügen,...