Entscheidungsstichwort (Thema)
Rehabilitanden als „zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte”
Leitsatz (amtlich)
Jugendliche Rehabilitanden, die aufgrund eines Berufsausbildungsvertrages im Sinne von § 3 BBiG in einem reinen Ausbildungsbetrieb ausgebildet werden, sind „zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte” im Sinne von § 5 Abs. 1 BetrVG (Abweichung von BAG vom 26. 11. 1987, 6 ABR 8183 AP Nr. 4 zu § 5 BetrVG 1972 Ausbildung, BAG vom 26. 1. 1994, 7 ABR 13/92 AP Nr. 54 zu § 5 BetrVG 1972).
Normenkette
BetrVG § 5 Abs. 1; AFG § 56; BBiG § 1 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 22.02.1995; Aktenzeichen 48 BV 448/94) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Betriebsrates und der Jugend- und Auszubildendenvertretung wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 22. Februar 1995 – 48 BV 448/94 – aufgehoben:
Der Antrag des Arbeitgebers wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Drei Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Wahl einer betrieblichen Jugend- und Auszubildendenvertretung (im folgenden JAV).
Der zu 1) beteiligte Arbeitgeber befaßt sich allein mit der Berufsausbildung lern- und körperbehinderter Jugendlicher, die bei ihm im Rahmen der praktischen Ausbildung auf der Grundlage von Berufsausbildungsverträgen im Sinne von § 3 BBG eine berufliche Erstausbildung als Tischler, in metall- und textilverarbeitenden Berufen, als technische Zeichner, Bürokauffrau/-mann, Kommunikationselektroniker, Beiköche u.s.w. erhalten. Diese Ausbildung findet statt im Rahmen eines Rehabilitationsauftrages der Bundesanstalt für Arbeit im Sinne von §§ 56 ff AFG. Den Berufsschulunterricht erhalten die Jugendlichen in einer staatlichen sonderpädagogischen Schule.
Der Arbeitgeber beschäftigt 178 Arbeitnehmer, die für die Betreuung und Ausbildung der ca. 400 Rehabilitanden zuständig sind.
Am 1. November 1994 wurde im Betrieb des Arbeitgebers die Wahl der zu 2) beteiligten JAV durchgeführt, an der ausschließlich Rehabilitanden teilgenommen haben. Das Ergebnis dieser Wahl wurde durch Aushang vom 3. November 1994 bekannt gemacht.
Mit einem am 11. November 1994 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Antrag hat der Arbeitgeber die Wahl der JAV angefochten und insoweit die Ansicht vertreten, die Rehabilitanden seien keine Arbeitnehmer im Sinne von § 5 BetrVG, so daß die Wahl vom 1. November 1994 unwirksam sei.
Der Arbeitgeber hat beantragt,
die Wahl der JAV vom 1. November 1994 für unwirksam zu erklären.
Die JAV und der zu 3) beteiligte Betriebsrat haben beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie haben die Auffassung vertreten, die Rehabilitanden seien „zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte” im Sinne von § 5 Abs. 1 BetrVG.
Durch einen Beschluß vom 22. Februar 1995 hat das Arbeitsgericht Berlin dem Antrag des Arbeitgebers entsprochen und die Wahl der JAV für unwirksam erklärt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
Gegen diesen den Verfahrensbevollmächtigten der JAV und des Betriebsrats am 31. März 1995 zugestellten Beschluß haben beide mit einem am 2. Mai 1995 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit einem am 1. Juni 1995 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Erziehung beschäftigt im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG. Ihre Beschäftigung dient zwar nicht in erster Linie ihrem Erwerb; sie werden aber auch nicht zu ihrer Eingewöhnung beschäftigt. Von § 5 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG werden nur solche Personen erfaßt, bei denen die Beschäftigung vorrangig als Mittel zur Behebung physischer, psychischer oder sonstige in ihrer Person liegenden Defizite eingesetzt wird. Bei einer Wiedereingewöhnung geht es um die Wiederherstellung eines normalen Verhältnisses der beschäftigten Personen zum allgemeinen Erwerbsleben. In diesem Sinne verfolgt die Wiedereingewöhnung den Zweck, Personen, die einer geregelten Arbeit entwöhnt sind oder sich nie an eine solche Arbeit gewöhnt haben, an geregelte Arbeit heranzuführen. Diesem Zweck dient die Ausbildung der jugendlichen Rehabilitanden nicht. Vielmehr sollen diese eine berufliche (Erst-)Ausbildung erhalten und auf diese Weise (erstmals) befähigt werden, trotz ihrer Behinderung als Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt teilzunehmen. Ihre Beschäftigung dient dementsprechend nicht der Beseitigung eines gestörten Verhältnisses zu geregelter Arbeit (vgl. BAG AP Nr. 4 zu § 5 BetrVG 1972 Ausbildung).
2.
Der Beschäftigung bzw. Ausbildung der jugendlichen Rehabilitanden liegt auch ein privatrechtlicher Berufsausbildungsvertrag im Sinne von § 3 BBG zugrunde. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß dem Abschluß dieses Vertrages eine Rehabilitationsmaßnahme der Bundesanstalt für Arbeit im Sinne der §§ 56 ff AFG zugrunde liegt (vgl. BAG AP Nr. 4 zu § 5 BetrVG 1972 Ausbildung).
3.
Auf der Basis des zwischen dem Arbeitgeber und den jugendlichen Rehabilitanden geschlossenen Ausbildungsvertrages müssen die jugendlichen ...