Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufung gegen Urteile früherer Ost-Berliner Gerichte
Leitsatz (amtlich)
1. Eine nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik zulässig gewesene, nunmehr in die Zuständigkeit des Landesarbeitsgerichts fallende Berufung ist seit Inkrafttreten des Einigungsvertrages am 3. Oktober 1990 unzulässig, wenn der Beschwerdewert in einer vermögensrechtlichen Streitigkeit DM 800,– nicht übersteigt und die Berufung auch nicht ersatzweise vom Landesarbeitsgericht zugelassen wird.
2. Der Beschwerdewert beträgt auch dann nicht mehr als DM 800,–, wenn der Kläger seine ursprünglich auf 1.200,– Mark der Deutschen Demokratischen Republik gerichtete Klage auf einen nominell gleichen Betrag in Deutsche Mark umstellt, weil seine Forderung aufgrund der Währungsumstellung im sog. Unionsvertrag wertmäßig halbiert worden ist und sich das Festhalten am ursprünglichen Betrag deshalb der Sache nach als Klageerweiterung darstellt, die für die Ermittlung des Beschwerdewerts keine Berücksichtigung finden kann.
Normenkette
Einigungsvertrag Kapitel III Sachgebiet A Abschn. III Nr. 28 Buchst. i, j; ArbGG § 64 Abs. 2
Verfahrensgang
Stadtbezirksgericht Berlin-Treptow (Urteil vom 08.06.1990; Aktenzeichen 15 A 232.90) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Stadtbezirksgerichts Berlin-Treptow vom 8. Juni 1990 – 15 A 232.90 – wird als unzulässig verworfen.
II. Kosten und notwendige Auslagen in der Berufungsinstanz fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
1.
Der Kläger war für den Beklagten in der Zeit vom 1. April 1986 bis 26. März 1989 als Objektleiter auf einer Baustelle in der UdSSR tätig; seine Vorarbeitszeit dauerte bis zum 7. Mai 1989.
Nach Abweisung durch die Konfliktkommission hat der Kläger mit seiner fristgemäß erhobenen Klage zunächst eine Lohnnachzahlung von 1.200,– M brutto wegen fehlerhafter Eingruppierung für die Zeit von Mai 1988 bis April 1989 verlangt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Stadtbezirksgericht Berlin-Treptow hat er sein Klagebegehren auf die Zahlung von 700,– M brutto für die Zeit von Oktober 1988 bis April 1989 beschränkt und hilfsweise einen entsprechenden Betrag als Schadenersatz für denselben Zeitraum geltend gemacht und dies damit begründet, vom Beklagten pflichtwidrig nicht auf die höhere Verdienstmöglichkeit im Berliner Betrieb hingewiesen worden zu sein.
Das Stadtbezirksgericht hat den Einspruch des Klägers gegen den Beschluß der Konfliktkommission und auch seinen hilfsweise gestellten Antrag auf Schadenersatz durch Urteil vom 8. Juni 1990 als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses ihm am 25. Juli 1990 zugestellte Urteil richtet sich die am 3. August 1990 beim Stadtbezirksgericht Berlin-Treptow eingelegte Berufung des Klägers, mit der er nunmehr Zahlung von 700,– DM begehrt.
2.
Die Entscheidung über die Berufung fiel in die örtliche, sachliche und funktionelle Zuständlichkeit des Landesarbeitsgerichts Berlin.
Nach Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt IV Nr. 3 Buchst. j der Anlage I zum Vertrag von 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR über die Herstellung der Einheit Deutschlands, ratifiziert durch Gesetz vom 23. September 1990 – Einigungsvertragsgesetz – (BGBl. II S. 885) und Gesetz vom 20. September 1990 (GBl. I S. 1627), gehen die bei den Gerichten des Teils des Landes Berlin, in dem das Grundgesetz bisher nicht galt, anhängigen Verfahren am Tag des Wirksamwerden des Beitritts, dem 3. Oktober 1990, in der Lage, in der sie sich befinden, auf die nach dem im bisherigen Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland geltenden Recht zuständigen Gerichte über, wobei sich die Zuständigkeit für Rechtsmittel nach dem neuen Recht richtet. Ergänzend dazu sieht § 3 des Gesetzes über die Zuständigkeit der Berliner Gerichte vom 25. September 1990 (GVBl. S. 2076) vor, daß sich das Ausführungsgesetz zum ArbGG und die dort geregelten Zuständigkeiten auf den Teil des Landes Berlin erstrecken, in dem das Grundgesetz bisher nicht galt. Dies bedeutet, daß bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG in die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen des Landes Berlin fallen, im Berufungsrechtszug mithin in die Zuständigkeit des Landesarbeitsgerichts Berlin (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 ArbGG).
3.
Die Berufung des Klägers war als unzulässig zu verwerfen.
Sie ist zwar entsprechend der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils formgerecht und fristgemäß beim Stadtbezirksgericht Berlin-Treptow eingelegt worden. In Rechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche Streitigkeiten kann die Berufung Jedoch nur eingelegt werden, wenn sie zugelassen worden ist oder der Wert des Beschwerdegegenstands 800,– DM übersteigt (§ 64 Abs. 2 ArbGG). Beides war vorliegend nicht der Fall.
3.1
§ 64 Abs. 1 ArbGG war auf die Berufung des Klägers anzuwenden, obwohl er sie noch vor den Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik beim Stadtbezirksgericht Berlin-Treptow eingelegt ha...