Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Anordnung von Mehr- bzw Überarbeit bei Teilzeitarbeit und Tarifvorbehalt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG erfaßt auch die vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit von Teilzeitarbeit (BAG vom 16.7.1991, 1 ABR 69190 = BB 1991, 2156).

2. An der Unterscheidung zwischen Mehr- und Überarbeit (Überstunden) ist weiterhin festzuhalten.

3. Ob durch eine tarifvertragliche Regelung ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates hinsichtlich der Anordnung und Durchführung von Mehr- oder Überarbeit verdrängt wird, muß mangels einer eindeutigen Normierung im Wege der Auslegung ermittelt werden.

 

Normenkette

BetrVG § 23 Abs. 3, § 87 Abs. 1 Eingangssatz Nr. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Beschluss vom 09.08.1995; Aktenzeichen 8 BV 16863/95)

 

Tenor

Auf die (befristete) Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 9. August 1995 – 8 BV 16863/95 – wie folgt abgeändert:

Der Antrag des Betriebsrates wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Antragsteller und Beteiligter zu 1) ist der bei der Antragsgegnerin, der Beteiligten zu 2), aus neun Mitgliedern bestehende Betriebsrat in deren „Büro … in dem etwa 270 Arbeitnehmer tätig sind. Zu ihnen gehören auch Teilzeitkräfte, so die Arbeitnehmerin … mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von montags bis freitags von 7.30 Uhr bis 12.30 Uhr, die Arbeitnehmerin … mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von Dienstag, Mittwoch und Donnerstag von 7.30 Uhr bis 16.00 Uhr sowie am letzten Freitag im Monat von 7.30 Uhr bis 12.50 Uhr, die Arbeitnehmerinnen … und … mit einer vereinbarten Arbeitszeit von 25 Stunden wöchentlich.

Zwischen den Beteiligten besteht eine Betriebsvereinbarung vom 31. März 1993 über die Regelung der individuellen regelmäßigen Arbeitszeit. In Ziffer 3.2 „Zeitliche Lage der Arbeitszeit” heißt es u. a.:

„Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit verteilt sich wie folgt:

….

– Admin (Vollzeit)

Montag – Donnerstag

von 07.30 Uhr – 16.00 Uhr (incl. 30 Min. Pause)

Freitag

von 07.30 Uhr – 12.50 Uhr (incl. 20 Min. Pause)

– Admin (Teilzeit)

Montag – Donnerstag

von 07.30 Uhr – 12.50 Uhr (incl. 20 Min. Pause)

Montag – Donnerstag

von 10.40 Uhr – 16.00 Uhr (incl. 20 Min. Pause)

Freitag

von 07.30 Uhr – 12.50 Uhr (incl. 20 Min. Pause)

Freitag

von 09.40 Uhr – 15.00 Uhr (incl. 20 Min. Pause)

Die Beteiligte zu 2), die tarifgebunden ist, wendet in ihrem „Büro … den Manteltarifvertrag für die Angestellten der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg, Tarifgebiet I, vom 10. Mai 1990 in der jeweils gültigen Fassung an.

Mit Schreiben vom 11. Januar 1995 beantragte die Antragsgegnerin die Zustimmung des Betriebsrates zu Überstunden der teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmerin … in der Urlaubszeit der Arbeitnehmerin … für den Zeitraum vom 23.–27. Februar 1995. Der Betriebsrat verweigerte jedoch mit Schreiben vom 13. Januar 1995 seine Zustimmung.

Mit weiterem Schreiben vom 9. Februar 1995 begehrte die Beteiligte zu 2) erneut die Zustimmung für die Leistung von Überstunden für die Arbeitnehmerinnen … und … … was der Antragsteller erneut ablehnte. Gleichwohl setzte die Beteiligte zu 2) beginnend mit dem 13. Februar 1995 die Arbeitnehmerinnen … und … in der Zeit von 7.30 Uhr bis 16.00 Uhr ein und zog diese auch weiterhin in der Urlaubszeit der Arbeitnehmerin … zu Überstunden heran. Mit einer auf Antrag des Betriebsrats vom Arbeitsgericht Berlin am 20. Februar 1995 erlassenen einstweiligen Verfügung – 76 BVGa 4598/95 – wurde der Beteiligten zu 2) unter Androhung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt für die Arbeitnehmerinnen … und … bis zum 28. Februar 1995 Überstunden anzuordnen oder zu dulden, ohne daß eine Zustimmung des Betriebsrates vorliegt oder eine Regelung der Einigungsstelle die Leistung von Überstunden zuläßt. Nachdem die Beteiligte zu 2) gegen diese gerichtliche Entscheidung beim Landesarbeitsgericht Berlin das Rechtsmittel der Beschwerde – 18 TaBV 4/95 – eingereicht hatte, erklärten sowohl der Betriebsrat als auch die Beteiligte zu 2) das Verfahren im Hinblick auf die durch Zeitablauf eingetretene Erledigung des konkreten Verfügungsgegenstandes für erledigt. Das Verfahren wurde deshalb durch Beschluß des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 19. Juni 1995 eingestellt.

Mit weiterem Schreiben vom 8. März 1995 teilte die Beteiligte zu 2) dem Antragsteller mit, daß sie für die teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmerin Runge in der Zeit vom 13. März bis 16. März 1995 von 12.50 Uhr bis 16.00 Uhr, für die teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin … in der Zeit vom 13. bis 17. März 1995 von 7.30 Uhr bis 10.40 Uhr und für die teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmerinnen … und … in der Zeit vom 6. März bis 9. März 1995 Mehrarbeit angeordnet habe und daß die Zustimmung der betreffenden Arbeitnehmerinnen vorliege. Auf Antrag des Betriebsrates untersagte das Arbeitsgericht Berlin durch Beschluß vom 16. März 1995 – 7 BVGa 7456/95 – der Arbeitgebe...

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