Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebührenabschlag für Rechtsanwälte im Beitrittsgebiet
Leitsatz (amtlich)
Der Gebührenabschlag von 10 v.H. für Rechtsanwälte, die ihre Kanzlei im Betrittsgebiet eingerichtet haben, ist weiterhin verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Normenkette
Einigungsvertrag Art. 8, Anl. I., Kap. III Sachgebiet A Abschn. III Nr. 26 a; KostgErmAV
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 04.05.2001; Aktenzeichen 7 Ca 7602/00) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 4. Mai 2001 – 7 Ca 7602/00 – wird auf ihre Kosten bei einem Beschwerdewert von 172,80 DM zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Das Landesarbeitsgericht Berlin hat dem Kläger durch Beschluss vom 13. März 2001 die Kosten des diesem Beschwerdeverfahren vorausgegangenen Berufungsverfahrens auferlegt. Die Beklagte hat daraufhin Kostenfestsetzung gemäß § 104 ZPO begehrt, wobei sie für die Rechtsanwaltsgebühren in voller Höhe in Ansatz gebracht hat.
Das Arbeitsgericht hat die Kosten durch Beschluss vom 4. Mai 2001 festgesetzt, wobei es die Rechtsanwaltsgebühren im Hinblick auf die im Ostteil Berlins eingerichtete Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Klägers um 10 v.H. ermäßigte.
Gegen diesen ihr am 29. Mai 2001 zugestellten Beschluss richtet sich die am 7. Juni 2001 eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten. Sie ist der Auffassung, die Kürzung der Anwaltsgebühren auf der Grundlage der Regelungen des Einigungsvertrages sei verfassungswidrig. Sie könne daher die Festsetzung der ungekürzten Rechtsanwaltsgebühren verlangen.
Der Kläger hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beklagte hat die nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde form- und fristgerecht eingelegt (§§ 577, 569 ZPO).
Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat bei der Kostenfestsetzung die in Ansatz gebrachten Rechtsanwaltsgebühren zu Recht um 10 v. H. gekürzt.
Da die Prozessbevollmächtigten der Beklagten ihre Kanzlei in dem Teil des Landes Berlin eingerichtet haben, in dem das Grundgesetz bis zum 3. Oktober 1990 nicht galt, sind ihre Rechtsanwaltsgebühren um 10 v. H. zu ermäßigen (Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 26 a zum Einigungsvertrag i.V.m. § 1 Ermäßigungssatz-Anpassungsverordnung – KostGErmAV vom 15. April 1996, BGBl. I, S. 604). Diese Ermäßigungsregelung ist nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Oktober 1997 – 1 BvR 1178/97 – (JurBüro 1998, 256) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Da sich die wirtschaftliche Situation im Beitrittsgebiet noch nicht vollständig der im übrigen Bundesgebiet angeglichen hat, war es nicht geboten, den Gebührenabschlag völlig aufzuheben.
Im Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses lagen keine Umstände vor, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten. Vielmehr entspricht die wirtschaftliche Situation im Beitrittsgebiet weiterhin in vielen Bereichen noch nicht der im übrigen Bundesgebiet. So erhalten erstmalig im Beitrittsgebiet ernannte Beamte und Richter weiterhin niedrigere Bezüge, nämlich seit dem 1. Januar 2001 88 v.H. und ab 1. Januar 2002 90 v.H. der in den alten Bundesländern geltenden Bezüge (vgl. Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung vom 21. Juni 1991 i.d.F. der Bekanntmachung vom 27.11.1997 (BGBl. I S. 2764), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.4.2001 (BGBl. I S. 618, 621)). Die Vergütungen der Arbeitnehmer lagen in den neuen Bundesländern auch noch im Jahr 2000 meist deutlich unter den Vergütungen, die in den alten Bundesländern gezahlt wurden (Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes der Bundesrepublik Deutschland, Fachserie 16, Reihe 2.1 und 2.2). Auch die im Ostteil Berlins gezahlten Vergütungen blieben im Jahr 1999 hinter den im Westteil Berlins gezahlten Löhnen und Gehälter zurück (vgl. Statistisches Jahrbuch Berlin 2000, herausgegeben vom Statistischen Landesamt Berlin, S. 548 ff.). Für die Beschwerdekammer besteht daher keine Veranlassung, die Rechtmäßigkeit der Gebührenermäßigung für im Beitrittsgebiet ansässige Rechtsanwälte in Zweifel zu ziehen, zumal eine derartige Kostenermäßigung auch in anderen Bereichen der Rechtspflege gilt (vgl. § 1 KostGErmAV). Die Beklagte kann in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass eine Gebührenermäßigung im Land Berlin wegen der hiesigen Verhältnisse nicht gerechtfertigt sei. Die gesetzliche Gebührenermäßigung gilt im gesamten Beitrittsgebiet; ihre Wirksamkeit hängt nicht von Besonderheiten in einem einzelnen Teil des Beitrittsgebiet ab. Auch war der Gesetzgeber nicht gehalten, insoweit eine Sonderregelung zu treffen. Im übrigen obliegt es vor allem ihm, Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Beitrittsgebiet zu beurteilen und die Regelungen über eine Gebührenermäßigung – wie mit der KostGErmAV geschehen – den festgestellten Veränderungen anzupassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsm...