Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff des Rechtsverhältnisses im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Tarifbindung des Arbeitgebers als Mitglied der Tarifvertragspartei nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Arbeitgeberverbandes
Leitsatz (amtlich)
1. Besteht zwischen den Betriebsparteien im Rahmen einer von ihnen beabsichtigten, mitbestimmungspflichtigen Regelung Streit darüber, ob sie dabei wegen Tarifbindung des Arbeitgebers die Vorgaben eines nach seinem Geltungsbereich einschlägigen Tarifvertrags zu beachten haben, so betrifft dies ein (betriebsverfassungsrechtliches) Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO, an dessen alsbaldiger gerichtlicher Klärung der Betriebsrat ungeachtet eine laufenden Einigungsstellenverfahrens ein Feststellungsinteresse hat.
2. Selbst wenn § 42 BGB in der bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung so auszulegen ist, daß die Konkurseröffnung über das Vermögen eines Arbeitgeberverbandes als Tarifvertragspartei, der in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins errichtet worden ist, dessen Auflösung zur Folge hat, fällt allein damit nicht fristlos und ohne sonstigen Beendigungstatbestand der normative Teil des zuvor von diesem Arbeitgeberverband abgeschlossenen Tarifvertrags weg. Die Tarifbindung des Arbeitgebers als Mitglied der Tarifvertragspartei endet daher nicht schon wegen der Konkurseröffnung zu diesem Zeitpunkt.
Normenkette
ZPO § 256 Abs. 1; BGB § 42 i.d.F. vor Inkrafttreten des Art. 33 Nr. 1 EGInsO; MTV für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und Auszubildenden in Betriebsküchen u. a. vom 1.7.1996 § 3
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 07.12.1998; Aktenzeichen 35 BV 28942/98) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 07.12.1998 – 35 BV 28942/98 – abgeändert:
Es wird festgestellt, daß von den Betriebsparteien bei der Regelung von Arbeitszeiten im Sinne des § 87 BVG die Bestimmung des § 3 MTV BVBG/NBG für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und Auszubildenden in Betriebsküchen, Casinos, Kantinen und sonstigen Verpflegungsbetrieben vom 01. Juli 1996 im Rahmen des allgemeinen räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereichs dieses Tarifvertrages auch für diejenigen Arbeitnehmer zu beachten ist, die nach der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der BVBG nach dem 24. April 1998 bei der Arbeitgeberin eingestellt worden sind.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Beschlußverfahren darüber, ob die Arbeitgeberin, die Antragsgegnerin, im Rahmen von arbeitszeitlichen Regelungen auf betrieblicher Ebene an die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und Auszubildenden in Betriebsküchen, Kasinos, Kantinen und sonstigen Verpflegungsbetrieben, abgeschlossen zwischen dem BVBG Bundesverband B. e.V., K., und der Gewerkschaft N.-G. G., vom 1. Juli 1996 (im folgenden abgekürzt: MTV BVBG-NGG) gebunden ist.
Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen, das in seinen zahlreichen Betrieben bundesweit die unterschiedlichsten Dienstleistungen ausführt; dazu gehören auch Betriebe, die in den betrieblichen Geltungsbereich des MTV BVBG-NGG fallen, da sie Leistungen der Vollverpflegung und Gemeinschaftsverpflegung anbieten. Die dort amtierenden Einzelbetriebsräte haben den Gesamtbetriebsrat, den Antragsteller, zur Durchführung dieses Beschluß Verfahrens beauftragt; dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Durch Beschluß des Amtsgerichts F. wurde über das Vermögen des BVBG Bundesverband B., K., dessen Mitglied die Arbeitgeberin ist, am 24. Mai 1998 das Konkursverfahren eröffnet. In der Folgezeit stellte sich die Arbeitgeberin auf den Standpunkt, daß dadurch ihre Tarifbindung entfallen sei und die Regelungen des MTV BVBG-NGG nur noch kraft Nachwirkung zu beachten seien, so daß sie darin frei sei, mit nach dem 24. August 1998 neu eingestellten Mitarbeitern Abweichendes zu vereinbaren. Dies führte u. a. dazu, daß im Rahmen von Verhandlungen der Beteiligten über den Abschluß einer (Gesamt-)Betriebsvereinbarung zur Regelung der Verteilung der Arbeitszeitverkürzung im Sinne der Ziff. 3.1.2 Satz 4 MTV BVBG-NGG zwischen ihnen Streit darüber aufkam, ob die Betriebsvereinbarung auch für die nach Konkurseröffnung eingestellten Arbeitnehmer gelten sollte, was die Arbeitgeberin in ihrem Entwurf zur Betriebsvereinbarung Nr. 7 in § 1 in Abrede stellte. Dem widersprach der Gesamtbetriebsrat, woraus die Einleitung eines Verfahrens vor der Einigungsstelle folgte, das zur Zeit noch nicht abgeschlossen ist.
Der Gesamtbetriebsrat hat die Auffassung vertreten, daß allein durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Arbeitgeberverbandes nicht die Tarifbindung der Arbeitgeberin als Mitglied der Tarifvertragspartei weggefallen sei. Der Verband sei nicht aufgelöst worden; er befinde sich auch nicht in Liquidation. Die Arbeitgeberin sei durch die Konkursverwalterin als Mitglied des Verbandes nicht von ihren Pflichten entbunden...