Entscheidungsstichwort (Thema)
Status von Richtern der ehemaligen DDR
Leitsatz (amtlich)
1. Über eine sofortige Beschwerde nach § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG entscheidet das Landesarbeitsgericht ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter.
2. Berufsrichter der ehemaligen DDR waren Arbeitnehmer, so daß für Streitigkeiten aus diesem Rechtsverhältnis der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist.
Normenkette
GVG § 17a Abs. 4 S. 3; BGB § 812 Abs. 1; RiG-DDR § 45 Abs. 1; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 39
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 26.03.1993; Aktenzeichen 22 Ca 35392/92) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 26. März 1993 – 22 Ca 35392/92 – aufgehoben.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte bei einem Gegenstandswert von DM 183,– zu tragen.
Tatbestand
I.
Der Beklagte war vor dem 03. Oktober 1990 als Richter am ehemaligen Stadtbezirksgericht Berlin-Mitte tätig. Mit dem 03. Oktober 1990 gingen die früheren Ostberliner Gerichte gemäß Anlage I zum Einigungsvertrag, Kapitel III, Sachgebiet A, Abschnitt IV in Verbindung mit dem Gesetz über die Zuständigkeit der Berliner Gerichte vom 25. September 1990 (GVBl. S. 2076) als organisatorische Einheit zusammen mit der Staatlichkeit der DDR unter.
Für die Monate Oktober und November 1990 erhielt der Beklagte der Höhe nach diejenigen Bezüge, die er im September 1990 erhalten hatte, während er ab 03. Oktober 1990 an sich Wartegeld aufgrund der Regelung des Einigungsvertrages zu erhalten gehabt hätte. Ab Januar 1991 erhielt der Beklagte fortlaufend Wartegeld in Höhe von monatlich 1.250,– DM.
Mit Mahnbescheid vom 08. Dezember 1992, dem Beklagten zugestellt am 16. Dezember 1992, gegen den er Widerspruch erhoben hat, hat die Klägerin die Rückzahlung, wie sie meint, überzahlten Wartegeldes für die Zeit vom 03. Oktober 1990 bis zum 02. April 1991 geltend gemacht.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 550,83 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16. Dezember 1992 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß der geltend gemachte Zahlungsanspruch weder dem Grunde noch der Höhe nach berechtigt sei. Auf jeden Fall habe die Klägerin die maßgeblichen tarifvertraglichen Ausschlußfristen nicht beachtet. Auch sei er nicht mehr bereichert.
Durch Beschluß vom 26. März 1993 hat die Kammer 22 des Arbeitsgerichts Berlin den von der Klägerin beschrittenen Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Berlin verwiesen.
Gegen den der Klägerin am 31. März bzw. 01. April 1993 zugegangenen Beschluß richtet sich die beim Arbeitsgericht Berlin am 08. April 1993 eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin, die von ihr gleichzeitig begründet worden ist.
Sie vertritt die Auffassung, daß der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben sei, da es sich bei dem Anspruch auf Rückzahlung zuviel geleisteten Wartegeldes gemäß § 812 Abs. BGB um eine bürgerlich-rechtliche Forderung handele, die sich aus dem ruhenden Arbeitsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem klagenden Land ergebe.
Entscheidungsgründe
II.
Die nach den §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG statthafte sofortige Beschwerde der Klägerin ist form- und fristgerecht beim Arbeitsgericht Berlin eingereicht und begründet worden, §§ 559 Abs. 1, 577 Abs. 2 Satz 2 ZPO, 78 Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Das Rechtsmittel hat auch Erfolg. Aus diesem Grunde muß der angefochtene Beschluß aufgehoben werden, so daß nunmehr das Erstgericht eine Sachentscheidung zu treffen hat.
1.
Wie das Beschwerdegericht bereits in einer Entscheidung vom 13. Januar 1992 (LAGE Nr. 5 zu § 48 ArbGG 1979 = NZA 1992, 386 = DB 1992, 742) dargelegt hat, kann über eine sofortige Beschwerde nach § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG das Landesarbeitsgericht ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter entscheiden (ebenso LAG Köln vom 03.09.1991, BB 1991, 2452; vom 28.02.1992, NZA 1992, 764; BAG vom 10.12.1992, BB 1993, 368 – anderer Ansicht Stahlhacke/Bader, ArbGG, 3. Auflage 1991, § 78 Rdn. 7, jedoch ohne nähere Begründung). Zwar bestimmt § 48 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG, daß ein Beschluß nach § 17 a Abs. 4 GVG stets durch die Kammer ergeht. Hierbei handelt es sich jedoch um eine Verfahrensvorschrift, die allein das erstinstanzliche Verfahren betrifft, während § 64 Abs. 7 ArbGG die Norm des § 48 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG nicht für entsprechend anwendbar erklärt hat. Deshalb ist allein § 78 ArbGG zu beachten, der auf die Vorschriften der ZPO verweist, die für die Beschwerde gegen Entscheidungen des Amtsgerichts maßgebend sind. Wenn in § 78 ArbGG die Rede davon ist, daß über die Beschwerde das Landesarbeitsgericht entscheidet, so folgt daraus nicht notwendig, daß die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung stets durch die Kammer einschließlich der ehrenamtlichen Richter ergehen muß. Nach früherem Recht erging auch der Beschluß, durch den die Berufung als unzulässig verworfen wurde, durch den Vorsit...